Berlin (epd). Das Landgericht Berlin hat am 8. April in einem Sterbehilfe-Fall einen pensionierten Arzt wegen Totschlags zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Der 74-jährige Mediziner hatte im Juli 2021 einer 37-jährigen, unter Depressionen leidenden Frau todbringende Medikamente zur Verfügung gestellt.
Aus Sicht des Gerichts war die Frau wegen ihrer Krankheit nicht in der Lage, frei verantwortlich zu handeln. Eine objektive Abwägung des Für und Wider ihrer Suizidentscheidung sei nicht mehr möglich gewesen. Der Mediziner habe deshalb die Grenzen des Zulässigen überschritten. Das Gericht hielt den pensionierten Hausarzt wegen mittelbarer Täterschaft für schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Revision ist möglich.
Der Angeklagte hatte eingeräumt, der Patientin zunächst im Juni 2021 auf deren Wunsch hin todbringende Tabletten zur Verfügung gestellt zu haben. Diese erbrach die Frau aber und überlebte. Daraufhin wurde sie den Angaben zufolge zunächst in ein Krankenhaus eingeliefert und anschließend in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht.
Bereits während ihrer Unterbringung habe sie erneut Kontakt zu dem Angeklagten aufgenommen. Obwohl die Kranke schwankend in ihrem Entschluss zu sterben gewesen sei, habe der Angeklagte ihr dann knapp drei Wochen nach dem ersten Suizidversuch, unmittelbar nach Entlassung aus der Psychiatrie, eine Infusion mit einer tödlichen Dosis eines Medikaments gelegt. Die Frau habe die Infusion durch Aufdrehen des Rädchens selbst in Gang gesetzt und sei binnen Minuten gestorben.
Az.: 540 Ks 2/23