Berlin (epd). Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat erstmals einen Armutsbeauftragten ernannt. Die Aufgabe übernimmt der langjährige Armutsbeauftragte des Kirchenkreises Neukölln und des Diakoniewerkes Simeon, Thomas de Vachroi. Der 64-Jährige sagte anlässlich seiner Berufung in Berlin, es sei wichtig, Armut in den Vordergrund zu stellen und nicht mehr als Schande zu sehen.
Der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein würdigte Vachroi als jemanden, „der mit unterschiedlichsten Menschen kann“. Armut sei ein strukturelles Phänomen, das immer wieder sichtbar gemacht werden müsse. Das treffe im Besonderen auf Kinderarmut zu. Ohne eine klare, deutlich vernehmbare Stimme verschwinde das Problem aus dem Bewusstsein.
Thomas de Vachroi leitet seit 2011 eine barrierefreie Wohnanlage des Diakoniewerkes Simeon, das Haus Britz. In dieser Funktion unterstützt er auch die Tee- und Wärmestube Neukölln und engagiert sich für Obdach- und Wohnungslose. Seit 2017 ist er Armutsbeauftragter des Diakoniewerkes Simeon, seit 2021 auch des Kirchenkreises Neukölln.
Aus dieser Position heraus versuche er, die Lage der wohnungslosen Menschen durch Vernetzung mit dem Bezirk, mit kirchlichen und sozialen Trägern zu verbessern, sagte Vachroi. Dabei verstehe er sich als Ansprechpartner sowohl für Betroffene und Helfende sowie als Dialogpartner für die Politik. Er wolle insbesondere den Dialog mit den Landesregierungen von Berlin und Brandenburg ausbauen, sagte der Armutsbeauftragte weiter. Dabei verwies er darauf, dass die Zahl der obdachlosen und wohnungslosen Menschen steige. Vor diesem Hintergrund sei es vorrangiges Ziel, Wohnraum zu finden. Dafür sei auch die Hilfe von Wirtschaftsverbänden nötig.
Vachroi betonte, das Niveau der Armut in Deutschland sei nicht tragbar. Überdies mangele es an Aufklärung. „Es ist wichtig, bereits in den Grundschulen über Armut und Migration zu sprechen.“ Es müsse erklärt werden, was es bedeute, arm und in Not zu sein. Vachroi forderte überdies die Berufung von Armutsbeauftragten in allen Landeskirchen, da das Phänomen regional sehr unterschiedlich sei.
Der Geschäftsführer des Diakoniewerkes Simeon, Oliver Unglaube, sagte zur Ernennung des Armutsbeauftragten der Landeskirche, es brauche jemanden, „der immer wieder den Finger in die Wunde legt“. Vachroi werde künftig nicht nur nach innen in die kirchlichen Gremien wirken, sondern seine Stimme auch nach außen als Lobbyist erheben.
Vergangenes Jahr wurde der im sächsischen Meerane geborene Vachroi für sein Engagement von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geehrt und zum Neujahrsempfang des Staatsoberhauptes in das Schloss Bellevue eingeladen. Er wurde als Krankenpfleger und später als Heimleiter und Kaufmann im Gesundheitswesen ausgebildet. Wegen Verbreitung staatsfeindlicher Schriften verbrachte er zwischen 1980 und 1986 eine Haftstrafe in der damaligen DDR, um im Anschluss nach Westdeutschland abgeschoben zu werden.