sozial-Recht

Bundesverwaltungsgericht

Unterhaltsvorschuss nur bei überwiegender Kindesbetreuung




Alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern
epd-bild/Detlef Heese
Bei ausbleibenden Kindesunterhaltszahlungen weiß der betreuende Elternteil oft nicht mehr weiter. Ein staatlicher Unterhaltsvorschuss kann helfen. Aber den kann ein Elternteil nur verlangen, wenn er sich mehr als 60 Prozent der Betreuungszeit um das Kind kümmert, urteilte das Bundesverwaltungsgericht.

Leipzig (epd). Alleinerziehende sind bei ausbleibenden Kindesunterhaltszahlungen oft wegen der besonderen Belastungen auf einen staatlichen Unterhaltsvorschuss angewiesen. Teilen sich getrennt lebende Eltern die Kindesbetreuung aber auf, besteht ein Anspruch auf den Unterhaltsvorschuss nur, wenn der beantragende Elternteil sich zu mehr als 60 Prozent der tatsächlichen Betreuungszeit selbst um das Kind kümmert, entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem am 21. März veröffentlichten Urteil.

Zahlt ein getrennt lebender Elternteil nicht den vorgeschriebenen Kindesunterhalt, springt der Staat mit einem Unterhaltsvorschuss ein. Allein 2022 zahlte er nach Angaben des Bundesfamilienministeriums dafür rund 2,5 Milliarden Euro. Das Geld kann sich der Staat zwar von den säumigen Unterhaltszahlern wieder zurückholen. 2022 brachte das den Daten zufolge jedoch nur 493 Millionen Euro für den Fiskus ein.

Probleme bei geteilter Betreuungszeit

Um den Unterhaltsvorschuss von - je nach Alter des Kindes - bis zu 395 Euro monatlich erhalten zu können, muss das Kind mit dem betreuenden Elternteil auf Dauer in häuslicher Gemeinschaft leben. Das ist bei Alleinerziehenden der Fall. Schwierig wird es mitunter aber, wenn die getrennt lebenden Eltern sich die Betreuung und Erziehung aufteilen.

Genau das war im aktuellen Rechtsstreit der Fall. Die aus dem Raum Minden stammende klagende Mutter von siebenjährigen Zwillingen hatte ab Februar 2020 einen Unterhaltsvorschuss beantragt. Der Kindesvater zahle derzeit keinen Unterhalt.

Die zuständige Unterhaltsvorschussstelle lehnte den Antrag ab. Denn die Mutter gelte nicht als alleinerziehend. Die Kinder lebten auch im väterlichen Haushalt. Aufgrund einer familienrechtlichen Vereinbarung würden sie vierzehntägig von Mittwochnachmittag bis Montagmorgen vom Vater betreut. Darüber hinaus habe der Vater die Kinder auch während eines längeren Krankenhausaufenthalts der Mutter bei sich versorgt. Beide Elternteile übten das gemeinsame Sorgerecht aus und praktizierten es auch. Während der Schulzeiten betreue der Vater die Zwillinge zu 36 Prozent. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen wies die Klage der Mutter ebenfalls ab.

Verfahren geht zurück an das OVG

Das Bundesverwaltungsgericht gab ihr jedoch dem Grunde nach recht und verwies das Verfahren an das OVG zurück. Elternteile könnten einen Unterhaltsvorschuss beantragen, wenn der Ex-Partner keinen oder keinen ausreichenden Kindesunterhalt zahlt und das Kind „ganz überwiegend“ und dauerhaft in häuslicher Gemeinschaft mit dem antragstellenden Elternteil lebt, so das Gericht.

Davon sei auszugehen, wenn der beantragende Elternteil das Kind zu mehr als 60 Prozent betreut. Wie die einzelnen Betreuungsleistungen erbracht werden, sei unerheblich. Nicht auf die Gewichtung der Betreuungsleistungen, sondern allein auf den Zeitanteil der Betreuung komme es an, befand das Gericht. Die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts sage dagegen noch nichts darüber aus, in welchem Umfang die Kindesbetreuung tatsächlich stattfindet.

Betreuungsdauer über längeren Zeitraum betrachten

Ob ein Elternteil „ganz überwiegend“ das Kind betreut, könne regelmäßig nur über einen längeren Zeitraum - etwa zwölf Monate - und nicht monatsweise bestimmt werden. So seien in dem Betreuungszeitraum der vereinbarte reguläre Kindesumgang ebenso einzubeziehen wie die Betreuung etwa in den Schulferien. Nicht zu berücksichtigen seien Zeiten außer der Reihe, etwa wenn ein Elternteil ins Krankenhaus muss. Zeiten, in denen das Kind von Dritten betreut wird, etwa von den Großeltern, seien dem Elternteil zuzuordnen, dem die Betreuung des Kindes obliegt. Nach diesen Maßstäben soll das OVG den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nun noch einmal prüfen.

In einem weiteren Urteil vom 27. Februar 2020 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass Unterhaltsvorschussleistungen für einen Schüler meist nicht auf das BAfög angerechnet werden müssen. Denn die Unterhaltsvorschussleistungen würden als „sonstige Einnahmen“ gelten, für die Auszubildende den allgemeinen Einkommensfreibetrag von monatlich 290 Euro (jetzt 330 Euro) beanspruchen können.

Kein Unterhaltsvorschuss in Fällen von Samenspende

Alleinerziehende können jedoch keinen Unterhaltsvorschuss erhalten, wenn ihr Kind nach einer anonymen Samenspende geboren wurde. Wie das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 16. Mai 2013 klarstellte, sei der Unterhaltsvorschuss eben als Vorschuss gedacht. Nach dem Gesetz bestehe kein Anspruch auf die Leistung, wenn die Mutter sich weigert, den biologischen Vater zu benennen.

Das sei mit der Rechtslage bei einer anonymen Samenspende vergleichbar. Die Mutter wisse von vornherein, dass sie die Ermittlung des Vaters „bewusst und gewollt“ ausschließt. Unterhaltsvorschuss könne sie daher nicht verlangen, so die Leipziger Richter im Fall einer Frau, die sich mithilfe einer anonymen Samenspende aus einer dänischen Samenbank künstlich hat befruchten lassen.

Az.: 5 C 9.22 (Bundesverwaltungsgericht, Betreuungszeit)

Az.: 5 C 5.19 (Bundesverwaltungsgericht, Bafög)

Az.: 5 C 28.12 (Bundesverwaltungsgericht, anonyme Samenspende)

Frank Leth