Münster (epd). Aus der Sicht der Caritas besteht akuter Handlungsdruck: „Viele Träger in der Sozialwirtschaft stehen finanziell und personell unter hohem Druck. Grundsätzlich haben sich die Insolvenzen in NRW im Jahre 2023 verfünffacht im Vergleich zum Jahr zuvor“, sagte Diözesancaritasdirektor Dominique Hopfenzitz aus Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Zwar sei es bei den Mitgliedern im Bistum Münster mit über 210 vollstationären und 115 teilstationären Einrichtungen und über 105 ambulanten Pflegediensten noch nicht zu Insolvenzen gekommen. Das liege aber nur daran, „dass die Träger überwiegend groß sind und im eigenen 'Konzern' Verluste noch durch Rücklagen kompensieren können“.
Die wirtschaftlichen Nöte der Träger hätten mehrere Gründe: „Zu wenig Personal, um Einnahmen zu generieren, hohe Kostensteigerungen ohne angepasste Refinanzierung, fehlende Kreditwürdigkeit bei Darlehnsverlängerungen oder bei der Aufnahme neuer Gelder für Baumaßnahmen. Und: Es komme zu einem Bearbeitungsstau in den Behörden, der die “Pflege ausbremst", beklagte Hopfenzitz.
Die Folgen der Misere seien der schleichende Abbau von Plätzen in der Altenhilfe, in den Krankenhäusern und den Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Abteilungen würden geschlossen oder die Einrichtungen gingen in Insolvenz. „Die Altenhilfe steht vor dem Kollaps“, so der Caritasdirektor. Er warnte, die Versorgungssicherheit in der Altenhilfe sei nicht mehr gewährleistet.
Die stationäre Altenhilfe im Landesteil Westfalen-Lippe stehe wirtschaftlich „immer mehr mit dem Rücken zur Wand.“ Das betreffe nicht nur die Caritas, sondern die gesamte Freie Wohlfahrtpflege und auch die privaten Anbieter. In einem schriftlichen Appell, der jüngst bei einer Protestaktion an den Landschaftsverband LWL übergeben wurde, heißt es: „Wenn Sie die Versorgungssicherheit für die pflegebedürftigen Menschen im Landesteil Westfalen-Lippe gewährleisten wollen, müssen Sie jetzt handeln.“
Wegen des Bearbeitungsstaus von 343 Fällen im Landesteil Westfalen-Lippe (Stand: 15. Januar) trügen die Pflegesätze die gestiegenen Personalkosten, höhere Energiekosten und die hohe Inflation nicht mehr. „In den Einrichtungen wächst die Liquiditätslücke aufgrund der noch geltenden veralteten Entgelte teilweise dramatisch. Die Personal- und Sachkosten steigen derweil weiter an“, heißt es in der Resolution.
„Wir fordern nun eine schnelle Lösung durch das Angebot von wirtschaftlich auskömmlichen Pauschalerhöhungen“, sagte Hopfenzitz. Man bekomme in NRW zwar Pauschalen angeboten, diese lägen jedoch über 1,5 Prozent unter den Ist-Kosten einer Einrichtung. „Das kann bei einem Haus mit 80 Pflegeplätzen pro Monat über 30.000 Euro an Defizit ausmachen.“
Die Diözesancaritasdirektorinnen und der -direktore Hopfenzitz, Stefanie Siebelhoff (Essen), Pia Stapel (Münster) und Esther van Bebber (Paderborn) forderten vom Landschaftsausschuss, „dass die Bürokratie der Entgeltverhandlungen unverzüglich und grundlegend verschlankt wird, damit zukünftig eingereichte Kalkulationen fristgerecht abgearbeitet werden können und kein neuer Bearbeitungsstau entsteht“.
Das Land habe darüber hinaus durch seine Gesetzgebung seit Jahren erheblich zu weiteren bürokratischen Hürden und Unklarheiten beigetragen. „Daher fordern wir den LWL, den LVR und die Verbände der Pflegekassen auf, gemeinsam mit den Leistungserbringern an die Gesetzgebung heranzutreten, um diese Bürokratie unverzüglich zu verschlanken, sodass hilfebedürftige Menschen auch in Zukunft Pflege und andere Hilfen zeitnah und mit Planungssicherheit erhalten können“. Am 16. Mai, wenn in Münster die Sitzung der Landschaftsversammlung als dem höchsten Gremium des Landschaftsverbandes ist, wolle man den Termin nutzen, „um weitere Zeichen zu setzen und dann auch hoffentlich mit allen anderen Altenhilfeträgern“, sagte Hopfenzitz.
Die Caritas im Bistum Münster zählt nach eigenen Angaben 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche. Sie betreibt unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen, 27 Pflegeschulen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.