Berlin (epd). Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa ist enttäuscht. Zu Beginn der Legislaturperiode vor zwei Jahren habe ihr Verband die Hoffnung gehabt, dass bald ein Demokratiefördergesetz eine rechtssichere Grundlage für Förderprogramme schafft. „Leider sind die Meinungen der Koalitionspartner dazu verhärtet“, sagt Welskop-Deffaa. Doch es müsse verhindert werden, „dass zwischen potemkinschen Fronten diese wertvollen Programme in der Bundesregierung zerrieben werden“.
Ohne eine neue Rechtsgrundlage werde es auch künftig keine verlässliche Finanzierung von Initiativen wie etwa „Demokratie leben!“ geben, warnt die Caritas-Präsidentin. Und sagt: „Demokratie leben!“ sei ein großer Erfolg. Dessen nachhaltige Weiterentwicklung bleibe ein gemeinsames Anliegen des Caritasverbandes und seines KTK-Bundesverbandes.
Dieses Programm des Bundesfamilienministeriums zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements war 2015 gestartet worden. 2023 war es mit 182 Millionen Euro ausgestattet. Aus diesem Topf werden Teilprojekte der sechs Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege gefördert, etwa das gemeinsame Projekt „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“. Jeder der Verbände hat dazu eigene Initiativen gestartet, so die Caritas das Projekt „Demokratie in Kinderschuhen. Mitbestimmung und Vielfalt in katholischen Kitas“. Auch die Diakonie ist auf diesem Feld aktiv. Ihr Programm heißt „Demokratiebildung in evangelischen Kitas und Familienbildungseinrichtungen“.
Das Bundesprogramm fördert derzeit nach Angaben des Familienministeriums mehr als 700 Projekte in ganz Deutschland. Darunter auch Hunderte „Partnerschaften für Demokratie“. Dabei entwickeln Städte, Gemeinden und Landkreise lokale Handlungsstrategien, um Demokratie und Vielfalt zu stärken und jeder Form von Menschenfeindlichkeit entgegenzutreten. Geld gibt es aber auch für spezielle Kompetenzzentren und -netzwerke sowie für die Beratungsarbeit.
„Demokratie leben!“ sei ein „großer Erfolg, seine nachhaltige Weiterentwicklung ein gemeinsames Anliegen des Caritasverbandes und seines Fachverbandes KTK-Bundesverband“, betont Welskop-Deffaa.
Ziel des von der Ampel geplanten Demokratiefördergesetzes ist es, Vereine und Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie, gesellschaftliche Vielfalt und die Prävention von Extremismus einsetzen, mit einer langfristigen und damit sicher kalkulierbaren finanziellen Grundlage auszustatten.
Zuletzt hatten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) gefordert, das Gesetz vor dem Hintergrund des Kampfs gegen Rechtsextremismus schnell im Bundestag zu verabschieden. Es war im Dezember 2022 vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht worden. Der Entwurf befindet sich aber noch immer in den parlamentarischen Beratungen.
Mitte Februar hatte Faeser gesagt, es sei „unabdingbar“, dass das Gesetz endlich im Bundestag beschlossen wird, damit Initiativen verlässlich, dauerhaft und bedarfsorientiert gefördert werden. Bislang ist diese Förderung nur projektbezogen möglich, weshalb in den Haushaltsberatungen regelmäßig das Aus für Projekte droht.
Widerstand gegen das Vorhaben kommt indes von der FDP. Es dürfe kein Demokratiefördergesetz ohne Extremismusklausel geben, lautet der Einwand der Liberalen, die der Auffassung sind, der Entwurf nehme „Extremismus von links“ nicht ernst genug. Die FDP-Bundestagsfraktion pocht darauf, die Vergabe der staatlichen Mittel strenger zu kontrollieren. Dabei ist die Ampel schon überfällig: Im Koalitionsvertrag steht: „Zur verbindlichen und langfristig angelegten Stärkung der Zivilgesellschaft werden wir bis 2023 nach breiter Beteiligung ein Demokratiefördergesetz einbringen.“ Von der Verabschiedung im Bundestag ist indes in der Verabredung der Koalitionäre nicht die Rede.
AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzer rügte, dass ausgerechnet Abgeordnete einer Regierungsfraktion ein Gesetz zur Förderung demokratischer Basisarbeit beerdigen wollen: „Ein solches Verhalten grenzt an Realitätsverlust.“ Vorständin Claudia Mandrysch berichtete von stets zähen Haushaltsdebatten, um Fördergelder für die Demokratieförderung zu bekommen: Deshalb sei ein Gesetz, das demokratiefördernde Strukturen schützt und ausbaut, dringend nötig. „Wenn die FDP diese Chance nicht sieht, ist ihr wirklich kaum mehr zu helfen.“
Auch der VdK befürwortet das neue Gesetz. Präsidentin Verena Bentele: „In Zeiten wie diesen sind Demokratieförderung, Stärkung von Vielfalt, Extremismus-Prävention und politische Bildung besonders wichtig.“ Das Gesetz verbessere die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements. Es müsse jetzt dringend verabschiedet werden, damit es ab 2025 wirken könne.
„Es wäre naiv, sich darauf zu verlassen, erst im Wahlalter das Leben mit Kompromissen einzuüben. Die Erfahrung, Mehrheitsentscheidungen konstruktiv zu akzeptieren und miteinander fair zu verhandeln, muss viel früher erlernt werden“, betonte Präsidentin Welskop-Deffaa: „Für die Caritas beginnt Demokratieförderung im Sandkasten.“
Nicht nur sie ist in Sorge, was die Zukunft bringt. Die Förderung des Projekts „Demokratie in Kinderschuhen - Mitbestimmung und Vielfalt in katholischen Kitas“, das im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ stattfindet, läuft Ende des Jahres 2024 aus. „Wir brauchen eine Weiterentwicklung und Verstetigung der bestehenden Instrumente zur Demokratiestärkung“, bekräftigt der stellvertretende Vorsitzende des KTK-Bundesverbands, Pfarrer Peter Göb, der 8.000 Kitas vertritt.
„Die mit dem Ende der Projektlaufzeit einhergehende Ungewissheit bereitet uns natürlich Sorge“, sagte der KTK-Referent dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er verwies auf die 2020 begonnene Initiative „Demokratie in Kinderschuhen. Mitbestimmung und Vielfalt in katholischen Kitas“ als Teil des Begleitprojekts „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“. Das Programm habe sich bewährt und zeige Wirkung. Die Koordinierungsstelle hat nach seinen Worten bereits über 100 Publikationen zu Einzelprojekten erstellt. Der Podcast „Demokratie & Vielfalt“ verzeichnete 16.000 Aufrufe oder Downloads. Und es gab 640 Fachveranstaltungen, Fortbildungen und Supervisionen mit über 23.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.