sozial-Politik

Statistik

Frauen arbeiten mehr als Männer für weniger Geld




Am 29. Februar erinnert der Equal Care Day an die noch immer ungleich verteilte Sorgearbeit.
epd-bild/Pat Christ
Alle zehn Jahre fragt das Statistische Bundesamt Menschen ab zehn Jahren in Deutschland, wie viel Zeit sie wofür verwenden. Ein Ergebnis ändert sich kaum: Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit als Männer: jeden Tag eine Stunde und 17 Minuten. Sozialverbände und Gewerkschaften sind alarmiert.

Berlin (epd). An der unterschiedlichen Verteilung der Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern hat sich in den vergangenen zehn Jahren wenig geändert. Das bestätigt das Statistische Bundesamt mit seiner aktuellen Zeitverwendungserhebung 2022, die es am 28. Februar in Berlin vorgestellt hat. Die Präsidentin des Amts, Ruth Brand, bilanzierte: Die Lücke bei der unbezahlten Arbeit werde kleiner, „sie ist aber nach wie vor beträchtlich.“ Anteilig leisten Frauen 43,8 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer, vor zehn Jahren waren es 52 Prozent.

Frauen haben damit der Erhebung zufolge im Jahr 2022 jede Woche im Durchschnitt neun Stunden mehr unbezahlte Arbeit geleistet als Männer, das sind 30 von insgesamt 45,5 Stunden bezahlter und unbezahlter Arbeit, während Männer im Durchschnitt auf 21 unbezahlte von insgesamt 44 Wochenstunden kommen. Im Wesentlichen ist dies Sorgearbeit, also Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und die Haushaltsführung.

Paus: Sorgearbeit noch immer sehr ungleich verteilt

Nach den Worten von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) ist die Mehrarbeit der Frauen „deutlich zu viel“. Einen Tag vor dem Equal Care Day, der alle vier Jahre am 29. Februar begangen wird, um auf die ungleiche Verteilung aufmerksam zu machen, erklärte die Ministerin, der faire Ausgleich bei unbezahlter Sorgearbeit sei ihr ein wichtiges Anliegen. Die Ungleichheit bedeute für Frauen meist ein geringeres Gehalt, weniger berufliche Chancen und eine prekäre Alterssicherung.

„Frauen tragen die Hauptlast bei der Sorgearbeit und damit ein hohes Armutsrisiko. Denn sie steigen dafür oft aus dem Job aus oder reduzieren ihre Arbeitszeit“, sagte ver.di-Vorständin Silke Zimmer. Das habe gravierende Folgen. Der Gender Care Gap trägt bei zum Gender Pay Gap und Gender Pension Gap: Frauen verdienen weniger, arbeiten prekär, zum Beispiel in Mini-Jobs, und bekommen weniger Rente als Männer. „Auch die Gesundheit leidet unter der Vielfachbelastung, viele Frauen sind überlastet und erschöpft. Eine gerechtere Verteilung von Sorgearbeit - und insbesondere bessere Bedingungen für diejenigen, die sie übernehmen - würde deshalb transformative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben“, sagte die Gewerkschafterin.

Müttergenesungswerk: Rollenbilder neu definieren

Die Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks, Yvonne Bovermann, sagte, die Studienergebnisse „sind bedauerlicherweise nicht überraschend, jedoch äußerst besorgniserregend“. Es sei an der Zeit, dass diese unsichtbare Arbeit angemessen anerkannt und unterstützt werde. „Wir fordern dringend eine verstärkte Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine Neudefinition traditioneller Rollenbilder, um eine gerechtere Verteilung der Care-Arbeit zu erreichen und gesundheitsschadende Überlastungen zu minimieren.“ Es ist nach ihren Worten unerlässlich, eine wirkliche Gleichstellung der Frauen zu erreichen.

Die Volkssolidarität forderte die Politik auf, die Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt mehr zu fördern. „Es ist unabdingbar, in formelle Pflegekonzepte zu investieren und die stationäre Langzeitpflege auszubauen, insbesondere für den Ausbau von teilstationären Angeboten der Tages- und Nachtpflege zu sorgen, um Angehörige zu entlasten und die Qualität der Versorgung zu verbessern“, sagte Vize-Präsident Uwe Klett in Berlin.

Eltern: Elf Stunden Mehrarbeit gegenüber Kinderlosen

Eltern arbeiten der Studie zufolge insgesamt pro Woche elf Stunden mehr als Erwachsene ohne Kinder. Unverändert übernehmen weit überwiegend die Mütter die Care-Arbeit, insbesondere für kleine Kinder. Sie sind bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes im Durchschnitt nur 13 Wochenstunden erwerbstätig. Das ändert sich, wenn die Kinder älter werden: Mütter mit Kindern von sechs bis 17 Jahre gehen im Durchschnitt 21,5 Stunden pro Woche einer bezahlten Arbeit nach und damit nur eine Stunde weniger als Frauen ohne Kinder.

Hier hat sich seit der vorigen Erhebung 2012/2013 etwas getan: Vor zehn Jahren lag der Unterschied bei 3,5 Stunden. Bei den Männern im erwerbsfähigen Alter ist hingegen allein aus den Zahlen keine Entwicklung abzulesen: Väter arbeiten weiterhin - unabhängig vom Alter der Kinder - im Durchschnitt 32 bezahlte Wochenstunden - und damit sogar 4,5 Stunden länger als Männer ohne Kinder. Die wissenschaftliche Direktorin des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, Bettina Kohlrausch, bilanzierte, insgesamt bleibe „die Geschlechterungleichheit sehr stabil.“

„Sorge- und Erwerbsarbeit doppelt umverteilen“

Es brauche daher eine doppelte Umverteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern, so die Forscherin: „Erwerbsarbeitszeit muss von Männern zu Frauen umverteilt werden, um Vätern zeitliche Spielräume für mehr Sorgearbeit zu öffnen, und gleichzeitig sollte Sorgearbeit von Frauen zu Männern verteilt werden. Unsere aktuelle Erhebung zeigt, dass die meisten Paare sich dies auch wünschen.“

Für die Analyse haben rund 10.000 Haushalte mit 20.000 Personen von zehn Jahren an aufwärts vom 1. Januar bis 31. Dezember 2022 an drei Tagen ein Zeit-Tagebuch geführt. Die aktuelle Erhebung ist die vierte seit Beginn der 1990er Jahre im Abstand von jeweils zehn Jahren. Sie hat die Verteilung unbezahlter und bezahlter Arbeit zum Schwerpunkt.

Einsamkeit ein großes Thema

Die Menschen werden aber nicht nur gefragt, wie sie ihre Zeit tatsächlich verwenden, sondern auch danach, wie sie sie empfinden und was sie sich wünschen. Erstmals wurde nach Einsamkeit gefragt, und es gab jede sechste Person über zehn Jahre an, sich oft einsam zu fühlen. Am häufigsten ist Einsamkeit unter 18- bis 29-Jährigen: Jede und jeder Vierte fühlt sich oft einsam. Naheliegend ist aus Sicht der Forscher, dieses Ergebnis im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu sehen.

In diesem Zusammenhang dürfte auch stehen, dass der Zeitaufwand für die bezahlte Arbeit, inklusive der Wegezeiten, abgenommen hat im Vergleich zur Erhebung vor zehn Jahren, und zwar um durchschnittlich 18 Minuten pro Tag. Es könnten sich darin bereits die Auswirkungen auf die Berufsarbeit in Folge der Pandemie spiegel, etwa durch mehr Homeoffice, erklärte die Bundesamt-Chefin Brand. Ob dies eine langfristige Entwicklung sei, werde man aber erst bei der nächsten Zeitverwendungserhebung in voraussichtlich zehn Jahren sagen können.

Bettina Markmeyer, Dirk Baas