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Bundesregierung

Forscher Dullien: Erwartungen an Klimageld deutlich überzogen




Sebastian Dullien
epd-bild/Hans-Böckler-Stiftung/Peter Himsel
Der Volkswirt Sebastian Dullien dämpft die Erwartungen an das von der Bundesregierung versprochene Klimageld. "Ich halte die Hoffnungen auf ein entscheidendes Instrument des sozialen Ausgleichs für deutlich überzogen", sagt der Wissenschaftliche Direktor des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung im Interview mit epd sozial.

Frankfurt a.M. (epd). Sebastian Dullien begründet seine Skepsis damit, dass die Unterschiede in der Belastung durch den steigenden CO2-Preis auch innerhalb einzelner Einkommensgruppen viel zu groß seien, um sie mit dem Klimageld ernsthaft abfedern zu können. Künftig werde der CO2-Preis deutlich steigen. Dann könne eine soziale Spaltung drohen, wenn die Regierung nicht entschieden gegensteuere. Aber, so der Professor: Dagegen helfe das Klimageld nur begrenzt, „weil es quasi im Gießkannenprinzip die Einnahmen an alle verteilt“. Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Die Bundesregierung will den Klimaschutz sozial gestalten, das dazu vorgesehene sogenannte Klimageld steht im Koalitionsvertrag. Dennoch ist nichts zu hören von einer schnellen Einführung. Warum tut sich die Ampel so schwer mit dieser symbolträchtigen Zahlung?

Sebastian Dullien: Die Ampel hat drei Schwierigkeiten: Erstens ist, vor allem nach dem Urteil des Verfassungsgerichts, einfach nicht genug Geld vorhanden, um sowohl ein Klimageld auszuzahlen als auch die anderen geplanten Transformationsprojekte umzusetzen. Zweitens sind die Kanäle zur Auszahlung eines Klimageldes noch nicht bereit. Die Verwaltungswege sind noch nicht eingerichtet. Und drittens ist die Sorge, dass ein Klimageld so gering ausfallen würde, dass es von vielen Menschen nicht als ernsthafte Entlastung wahrgenommen wird, sondern dass sie sich sogar durch die geringe Zahlung nicht ernst genommen fühlen.

epd: Noch weiß niemand, wie hoch diese mögliche Pro-Kopf-Pauschale sein wird. Und doch setzen viele Experten und auch Sozialverbände auf dieses Instrument große Hoffnung. Ist das berechtigt?

Dullien: Ich halte die Hoffnungen auf ein Pro-Kopf-Klimageld als entscheidendes Instrument des sozialen Ausgleichs für deutlich überzogen. Die Unterschiede in der Belastung durch den CO2-Preis sind auch innerhalb einzelner Einkommensgruppen viel zu groß, um sie mit dem Klimageld ernsthaft abfedern zu können. So dürfte ein Pro-Kopf-Klimageld für jene, die im ländlichen Raum in schlecht gedämmten Altbauten wohnen und mit dem Auto längere Strecken zur Arbeit fahren, die Belastungen nie ausgleichen können. Dagegen würde es für einen Menschen, der in einer Großstadt in einer modernen Wohnung wohnt und mit der S-Bahn zur Arbeit fährt, Einnahmen bedeutet, die seine Belastung übersteigen.

epd: Wer die Bürgerinnen und Bürger bei dem Weg zur Dekarbonisierung nicht merklich entlastet, wird sie verlieren. Wie groß ist die Gefahr einer sozialen Spaltung, wenn das Klimageld zu niedrig ausfällt?

Dullien: Bisher und in den kommenden beiden Jahren ist die Belastung durch steigende CO2-Preise sehr begrenzt. Von einer sozialen Spaltung durch die CO2-Preise kann man da noch nicht reden. Anders sieht es jedoch aus, wenn ab 2027 die CO2-Preise deutlich steigen dürften. Denn dann ersetzt nach den EU-Regeln ein Marktmechanismus die bislang von der Bundesregierung relativ moderat gesetzte Preisgestaltung. Gegen eine dann drohende soziale Spaltung würde allerdings das Klimageld nur begrenzt helfen, weil es quasi im Gießkannenprinzip die Einnahmen an alle verteilt, während die Belastung sehr ungleich zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen verteilt ist.

epd: Soziale Unwucht wird das Klimageld immer haben, denn es wird ja jeder, also auch gut betuchte Bürgerinnen und Bürger bekommen. Gibt es eine Alternative?

Dullien: Im Prinzip könnte man auch das Klimageld nur bis zu einer gewissen Einkommensgrenze zahlen. Das Problem ist allerdings, dass, wenn man diese Grenze recht hoch ansetzt, man nicht viel Geld spart, und wenn man sie zu niedrig ansetzt, viele Menschen, die finanziell stark belastet sind, die Entlastung nicht mehr bekommen würden. Das ist besonders problematisch, weil unsere Forschungen zeigen, dass besonders in der Mitte der Einkommensverteilung viele Haushalte mit hoher Belastung durch den CO2-Preis existieren.

epd: Was empfehlen Sie?

Dullien: Eine gute Alternative, wie man die Belastungen durch hohe CO2-Preise sozialverträglich und einfach ausgleicht, gibt es nicht. Ein wichtiges Element dürfte aber sein, Menschen zu unterstützen, auf CO2-neutrale Technologien umzusteigen, etwa durch Förderung von Heizungstausch oder den Ausbau des ÖPNV.

epd: Um wie viel Geld geht es überhaupt, wenn der CO2-Preis nun bei 45 Euro je Tonne festgelegt ist? Und wie hoch würde das Klimageld dann bei völliger Rückzahlung der Zusatzeinnahmen pro Kopf liegen?

Dullien: Bei 45 Euro pro Tonne CO2 dürften die Gesamteinnahmen für den Verkehrs- und Haushaltsbereich, also die Einnahmen aus dem Brennstoffemissionshandelsgesetz, bei etwas mehr als zwölf Milliarden Euro pro Jahr liegen. Das wären umgerechnet etwa 145 Euro pro Kopf und Jahr. Allerdings sind ja die Einnahmen aus den ersten 30 Euro CO2-Abgabe schon lange verplant und auch in den Vorjahren anderweitig ausgegeben worden. Würden wir nur über die zusätzlichen CO2-Einnahmen reden, also jene aus dem Anstieg von 30 € pro Tonne auf 45 Euro, so geht es um etwa vier Milliarden Euro oder etwas weniger als 50 Euro pro Kopf und Jahr.

epd: Sie betonen immer wieder, dass das Klimageld allein nicht ausreicht, um den ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft zu stemmen. Wo müsste der Staat ganz unabhängig von der Schuldenbremse also noch Geld in die Hand nehmen?

Dullien: Der Staat müsste zum einen Programme auflegen, die schnell und massiv die Dämmung von Häusern und den Heizungstausch fördern. Idealerweise würde das über langfristige und günstige Kredite ablaufen, damit nicht reiche Hauseigentümerinnen und -eigentümer die Subventionen abgreifen. Dabei müssten auch schnell die Fern- und Nahwärmenetze ausgebaut werden. Außerdem sollte der ÖPNV ausgebaut werden, um mehr Menschen den Umstieg vom Auto zu erleichtern. Diese Programme sind schwierig im aktuellen Rahmen des Bundeshaushaltes zu finanzieren. Deshalb ist es auch so wichtig, jetzt eine Reform der Schuldenbremse voranzubringen, um die notwendigen finanzpolitischen Spielräume zu schaffen.

epd: Sie haben es schon gesagt: Ab 2027 wird der CO2-Preis um ein Vielfaches steigen, die Zusatzkosten vor allem im Bereich Verkehr und Heizen werden deutlich höher sein als heute. Wird dann das Modell Klimageld, dem ja die Zielgenauigkeit fehlt, immer noch das Mittel der Wahl beim sozialen Ausgleich sein?

Dullien: Ich halte den Fokus auf das Klimageld als zentrales Element einer CO2-Bepreisung für falsch, weil auch mit dem Klimageld per saldo zu viele Verliererinnen und Verlierer entstehen. Es kann ein Baustein der Klimawende sein, aber nicht mehr. Meine Sorge ist, dass die ganze Klimawende politisch scheitern könnte, wenn man tatsächlich in erster Linie auf ein Klimageld zum sozialen Ausgleich setzt und die Probleme mit diesem Instrument außer acht lässt.



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