München (epd). Daniel Klopfer nimmt die Hühnerschenkel aus der dampfenden Brühe. „Heute Abend“, sagt der 63-Jährige, „gibt es Hühnerfrikassee mit Reis.“ Der Reis kocht auch schon. An einem Tisch in der Küche sitzt eine ehrenamtliche Helferin und bereitet aus Äpfeln und Orangen einen Obstsalat zu. Der gehört als Nachtisch zum Pudding. Vorbereitet werden die warme Mahlzeit und das Dessert für Obdachlose, die die Nacht in München draußen verbringen werden. Für sie engagiert sich der Verein „Kältebus“.
In gut zwei Stunden werden die beiden Ehrenamtler mit einem kleinen Bus zu Obdachlosen fahren, die im Freien überwintern, und ihnen warmes Essen bringen. 60 Portionen sollen es heute werden, die Behälter zum Warmhalten der Speisen stehen schon bereit.
Daniel Klopfer ist einmal pro Woche mit dem Kältebus unterwegs. Das macht er schon seit sieben Jahren. Er wolle nicht nur Geld spenden, sondern auch selbst anpacken und tatkräftig helfen, sagt er und ist gerade mit dem Vanille-Pudding beschäftigt, als Berthold Troitsch die Küche betritt. Der Immobilienverwalter ist seit 2015 der Vorsitzende des Vereins „Kältebus München“, der an die 20 Helfer zählt. Der Bus ist Winter für Winter von Oktober bis März unterwegs.
Der Verein bekommt Lebensmittelspenden von einem Supermarkt. Täglich geht der Bus mit den warmen Mahlzeiten auf Tour - von 18.30 Uhr bis gegen 22 Uhr. „Irgendwann ist man dann durchgefroren“, sagt der Vereinsvorsitzende. Für sein Engagement erhielt Troitsch kürzlich das Bundesverdienstkreuz.
Als der Bus am späten Abend mit Hühnerfrikassee, Reis, Pudding, Schokoladetafeln und Keksen losfährt, schneit es. An seiner ersten Station wartet bereits ein Mann. Seine Habseligkeiten hat er in einem Rollkoffer dabei. Er bekommt ein Plastikschüsselchen mit einer warmen Mahlzeit und einen Becher heißen Kaffee.
Der Kältebus fährt weiter. Daniel Klopfer, der am Steuer sitzt, kennt die Plätze, wo sich obdachlose Menschen in der Nacht aufhalten. Er schnappt sich eine Taschenlampe und eine Plane, als Schutz gegen die Nässe, und schlägt sich ins Gebüsch. Dort übernachtet Marie, eine obdachlose Frau. Nein, in die Unterkünfte für Wohnungslose wolle sie nicht. Denn dort gebe es Alkoholiker und Drogenabhängige. „Ich bin lieber für mich“, sagt sie, auch wenn es in der Dunkelheit und der Kälte ist. Auch sie bekommt ein warmes Essen und ein Getränk.
Der Bus fährt die Theresienwiese an. Dort haust in einem Fußgängertunnel eine Gruppe Osteuropäer. Unter dem Neonlicht haben sie ihre Schlafsäcke neben Koffern ausgebreitet, es sind etliche junge Frauen und Männer darunter. Sie kämen aus einem Ort 300 Kilometer östlich der slowakischen Hauptstadt Bratislava, erzählt einer der Männer. Sie sind Tagelöhner, die sich auf Baustellen verdingen und in der Innenstadt betteln.
Daniel Klopfer kennt inzwischen viele Obdachlose und ihre Schicksale: gesundheitliche Probleme, Arbeit weg, Frau weg. Schließlich landen sie auf der Straße. Für sie gibt es gerade in der Vorweihnachtszeit viele Hilfsangebote, sagt Vereinschef Troitsch. So seien in den Abendstunden auch andere Initiativen mit Essenslieferungen unterwegs, etwa die „Möwe Jonathan“ oder der „Marienkäfer e.V.“.