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Prostitution

Sexarbeiterinnen können sich nur schwer vor Gewalt schützen




Bordell im Frankfurter Bahnhofsviertel
epd-bild/Heike Lyding
Prostituierte erleben in ihrem Beruf körperliche und psychische Gewalt. Offenbar geht nur ein kleiner Teil von ihnen danach zur Polizei. Beratungsstellen berichten über ihre Erfahrungen und sagen, was sich in Politik und Gesellschaft ändern sollte.

Freiburg/Heilbronn (epd). Der Freier fiel brutal über sie her und vergewaltigte sie. Anna (Name geändert) gelang es gerade noch, mit ihrem Handy eine Tonaufnahme zu machen, um nachher wenigstens etwas in der Hand zu haben. Sie rief eine Freundin an, ging sofort zur Polizei und zum Arzt. „Sie hat alles richtig gemacht, und der Mann wurde letztlich auch verurteilt“, sagt Mahita Massaro von der Fachberatungsstelle „Prostitution - Integration - Neustart - Know-how“ (PINK) im Diakonischen Werk Freiburg. Aber der Weg dorthin sei äußerst steinig gewesen. Als Sexarbeiterin wurde sie von Behörden und vor Gericht „nicht wertschätzend behandelt“.

Widersprüchliche Angaben

Polizeilich erfasst sind in Baden-Württemberg für das Jahr 2022 gerade mal 40 Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung weiblicher Prostituierter sowie 126 Rohheitsdelikte und Delikte gegen die persönliche Freiheit. „Während unserer aufsuchenden Arbeit und Beratungen in unseren Räumen hat uns bisher keine Frau von einer Gewalterfahrung berichtet“, erklären Tanja Wöhrle und Maren Kuwertz von der ela-Beratung für Menschen in Prostitution des evangelischen Diakonieverbands Ulm/Alb-Donau.

„Es ist immer wieder ein Thema“, sagt dagegen Kathrin Geih, Sozialarbeiterin und stellvertretende Abteilungsleiterin bei der Mitternachtsmission der Diakonie Heilbronn: „Manchmal reden Frauen von sich aus darüber, aber wir sprechen es auch proaktiv an, ermutigen Frauen, sich zu überlegen, worauf sie sich einlassen möchten, und, auf ihr Bauchgefühl zu hören.“ Prostituierte hätten oft nicht die Kraft und den Willen, sich gegen erlittenes Unrecht zur Wehr zu setzen, manchmal aus Sorge vor Stigmatisierung oder aus Scham. Zudem führe eine Strafverfolgung wegen Gewalt durch Zuhälter oder Freier selten zum Erfolg.

„Die Frauen sind oft schlecht erreichbar, werden häufig versetzt“, weiß Neele Petikis, die für den Fachdienst Rahab im Kreis-Diakonieverband Esslingen Prostituierte aufsucht und berät. Es brauche zudem viel Zeit, um Vertrauen zu ihnen aufzubauen. Das Thema Gewalt komme daher erst nach längerer Zeit zur Sprache. „Und wenn, dann erzählen sie eher von früheren Erfahrungen, dem Leid, das sie in der Kindheit erlebt haben, in einer Partnerschaft oder als Prostituierte in einem anderen Land. Und selbst das geschieht eher in Andeutungen“, berichtet Petikis. Ihre momentane Situation zu thematisieren, sei für viele schwer aushaltbar.

„Es gibt noch viele blinde Flecken“

Deutliche Worte findet Dörte Christensen vom Verein Arkade, der im Raum Friedrichshafen und Ravensburg für Frauen im Rotlichtmilieu da ist, die sonst nirgends eine Anlaufstelle hätten: „Sie sind oft in einer unterlegenen Position und erleben sehr viel Gewalt - sowohl psychisch als auch körperlich. Sie leben tagtäglich damit. Viele werden nach ein paar Jahren psychisch krank, entwickeln Traumata oder flüchten in Drogen und Alkohol.“

Einig sind sich die befragten Beratungsstellen, die ein Sexkaufverbot als nicht zielführend ansehen, dass dringend ein niedrigschwelliges und flächendeckendes Beratungsangebot gebraucht wird. Etwa mit Ausstiegswohnung, sagt Christensen. „Da gibt es noch viele blinde Flecken“, sagt Geih: „Die Politik muss hier hinschauen und das Thema in ein Hellfeld bringen.“

Da Migration und Armutsprostitution eine große Rolle spielten, sei zudem eine länderübergreifende Vernetzung notwendig. So arbeitet Rahab-Beraterin Silvia Vintila daran, in ihrem Herkunftsland Rumänien über Nichtregierungsorganisationen Kontakte aufzubauen.

Frauen als Ware

Für eine nachhaltige Beratungsarbeit sei es schwierig, wenn Stellen nur als befristete Projekte gefördert werden. So sei die Finanzierung von Rahab nur noch bis Ende 2025 durch das Deutsche Hilfswerk gesichert, sagt Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreis-Diakonieverbands Esslingen.

Auch gesellschaftlich müsse sich noch viel tun. Prostituierte dürften nicht stigmatisiert werden, sind sich die Beraterinnen einig. Sexualethisch brauche es eine gesellschaftliche Sensibilisierung für gesunde Grenzen, sagt Kathrin Geih. Das gelte sowohl für Beziehungen als auch für Prostitution.

„Wir brauchen einen offenen Diskurs, wie wir mit diesem Thema umgehen“, sagt Haußmann. Es könne nicht sein, dass Frauen über Sexportale oder bei Junggesellenabschieden im Bordell zur Ware würden. Dass eine Prostituierte sich anhören müsse: „Ich hab' dich bezahlt. Ich kann mit dir machen, was ich will.“

Uta Rohrmann