sozial-Branche

Betreuung

Helfer durch den Papierdschungel am Limit




Ralph Sattler
epd-bild/DW Pfalz
Sie übernehmen Verantwortung für immer mehr Menschen, die ihre Dinge nicht mehr selbst regeln können: rechtliche Betreuer. Doch die mangelnde Vergütung gefährdet deren Arbeit, warnt Ralph Sattler vom Betreuungsverein Ludwigshafen in der Diakonie.

Ludwigshafen (epd). Mit dem leidigen „Verwaltungskrempel“ kommen sie nicht mehr zurecht: Stapel mit Rechnungen müssen erledigt, Gänge zu Ämtern oder Arztpraxen organisiert und Hilfen bei Behörden beantragt werden. Alte, kranke oder behinderte Menschen schaffen es oft nicht aus eigener Kraft - rechtliche Betreuer müssen dies für sie übernehmen. Doch deren Arbeit sei bedroht, schlägt Ralph Sattler Alarm. Er ist Leiter des Betreuungsvereins Ludwigshafen, der dem Diakonischen Werk Pfalz angegliedert ist.

7,50 Euro mehr pro Monat und Betreuung

Kostensteigerungen sowie zeitaufwendige und teilweise bürokratische Regelungen im neuen, seit diesem Jahr geltenden Betreuungsrecht gefährdeten die Existenz der beruflichen und ehrenamtlichen Betreuer sowie der Betreuungsvereine, warnt der Sozialpädagoge und Diakoniewissenschaftler Sattler.

Der Bundesrat hat am 15. Dezember einem bereits vom Bundestag verabschiedeten Gesetz der Ampel-Koalition zugestimmt. Dieses sieht als Inflationsausgleich eine Sonderauszahlung von monatlich 7,50 Euro pro geführter Betreuung ab 1. Januar 2024 über einen Zeitraum von zwei Jahren vor.

Die Sonderauszahlung als Überbrückung sei „eine Erleichterung, ist aber noch lange nicht, was wir brauchen“, sagt der Berufsbetreuer Sattler. „Wünschenswert wären 15 bis 16 Prozent mehr Vergütung.“ Manche Berufsbetreuer kümmerten sich schon teilweise um 40 oder mehr meist ältere Menschen. Sie setzten deren Rechte durch, etwa bei Ansprüchen auf Grundsicherung gegenüber den Jobcentern. Der zeitliche Aufwand dafür werde durch die Vergütung nicht gedeckt, sagt Sattler.

Zeitintensive Dokumentation

Dadurch sei auch der Fortbestand von Betreuungsvereinen gefährdet, die um das Jahr 1900 als eine Idee des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) aufkamen. Deren Aufgabe ist auch die Fortbildung und Begleitung von ehrenamtlichen Betreuern. Betreuer werden gerichtlich bestellt: In erster Linie sind es Familienangehörige, Freunde oder Bekannte, die eine Vollmacht übernehmen und einem Betreuungsverein angehören müssen. In Fällen, in denen dies nicht möglich oder gewünscht ist, werden Berufsbetreuer eingesetzt.

Erschwerend kämen für Berufsbetreuer gesetzliche Vorgaben für eine zeitintensive Dokumentation ihrer Arbeit hinzu, sagt Sattler. Diese hätten sich nicht nur am Wohl, sondern am „Wunsch“ ihrer Klientinnen und Klienten zu orientieren. Dies könne problematisch in der Alltagsarbeit sein, wenn diese etwa einen überteuerten Handytarif abschlössen: „Das muss dann meist so akzeptiert werden.“

Kopfzerbrechen bereitet Sattler auch, dass sich kaum noch Sozialarbeiter, Pädagogen oder Juristen für den verantwortungsvollen, aber auch papierlastigen Job des Berufsbetreuers entschieden. Auch seien immer weniger Bürgerinnen und Bürger bereit, eine ehrenamtliche Betreuung zu übernehmen. Diese sei auch zunehmend eine sprachliche Herausforderung, weil die Zahl bedürftiger Migranten ohne ausreichende Deutschkenntnisse wachse, sagt Sattler.

Wenn Betreuungsvereine aufgrund unzureichender Vergütung ausfielen, seien letztlich die finanziell klammen Kommunen für die Betreuungsarbeit zuständig, macht Sattler deutlich: „Sie müssen dann die Suppe auslöffeln.“ Als schlimmstes Szenario führt er an, wenn auf Betreuung angewiesene Menschen eines Tages nurmehr „verwahrt“ würden.

Alexander Lang