Berlin (epd). Viele Krankenhausaufenthalte von pflegebedürftigen Menschen wären vermeidbar. Dem am 5. Dezember in Berlin vorgestellten Barmer-Pflegereport 2023 zufolge summieren sich die potenziell vermeidbaren Klinikbehandlungen von Pflegebedürftigen auf 1,3 Millionen Fälle im Jahr. Hauptgrund ist dem Report zufolge, dass pflegebedürftige und chronisch kranke Menschen pflegerisch nicht bestmöglich versorgt werden. Das betrifft die Betreuung in Heimen ebenso wie die Pflege durch ambulante Dienste. Patientenschützer und die Diakonie forderten Konsequenzen.
So werden dem Report zufolge etwa Patientinnen und Patienten mit einer Herzschwäche oder Diabetes in Kliniken eingewiesen, obwohl sie auch im Pflegeheim oder zu Hause stabilisiert werden könnten. Dafür müssten aber die Rahmenbedingungen stimmen, was nicht der Fall sei, kritisieren die Autoren des Pflegereports. Barmer-Chef Christoph Straub forderte regionale Versorgungseinrichtungen, in denen Pflegedienste, Ärzte und andere Gesundheitsberufe zusammenarbeiten, um zumindest die ambulante Pflegeversorgung zu gewährleisten.
Zu den unnötigen Krankenhausaufenthalten zählt dem Report zufolge auch die Verlängerung von Klinikaufenthalten um rund eine Woche, wenn die pflegerische Versorgung im Anschluss nicht rechtzeitig in die Wege geleitet wird. Darum müssten sich Kliniken und Kassen kümmern und den Angehörigen zur Seite stehen. Der Pflegewissenschaftler Heinz Rothgang von der Universität Bremen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Kurzzeitpflege ist Mangelware, ins Heim wollen viele nicht, und zu Hause geht's nicht.“ In dieser Situation müssten die Angehörigen dann eine Lösung finden. „Wir haben keine vernünftigen Nachsorge-Strukturen“, kritisierte Rothgang.
Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, erklärte, die Krankenhausaufenthalte seien nur in der Theorie vermeidbar. Praktisch erlebten Pflegebedürftige, dass die ambulante medizinische Versorgung abgebaut werde. So machten niedergelassene Ärzte kaum noch Hausbesuche. Der Report sei ein Appell an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), bilanzierte Brysch, doch sei angesichts der Haushaltsprobleme nicht mit Besserungen zu rechnen.
Diakonie-Vorständin Maria Loheide erklärte, Krankenhauseinweisungen seien vermeidbar, wenn Pflegekräfte im Vorfeld mit den Ärzten, Angehörigen und den Kassen klärten, was individuell notwendig sei, wie etwa Arztbesuche und eine Haushaltshilfe. Doch werde diese Arbeit weder gewürdigt noch ausreichend bezahlt, obwohl sie helfe, Krankenhauseinweisungen zu verhindern.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge wurden 2022 rund 16,8 Millionen Krankenhausbehandlungen gezählt. Vor den Corona-Jahren waren es 2019 mit 19,4 Millionen Behandlungsfällen deutlich mehr. Von den knapp 17 Millionen Klinikbehandlungen sind Rothgang zufolge insgesamt rund vier Millionen pro Jahr vermeidbar. 1,3 Millionen von diesen potenziell vermeidbaren Krankenhausaufenthalten betreffen pflegebedürftige Menschen.