Berlin (epd). Die Beratungen des Bundestags über die Erleichterung von Einbürgerungen haben am 30. November in Berlin mit einem Schlagabtausch begonnen. Während Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für ihren Gesetzentwurf warb, lehnten Union und AfD die Reform mit scharfen Worten ab. Zwischen den Koalitionspartnern SPD, Grüne und FDP zeichnet sich ein Ringen ab um die Frage, ob auch Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, einen deutschen Pass bekommen können.
Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Alexander Throm (CDU), warf der Ampel-Koalition „eine Gefährdung des Staatswohls“ vor. Es handele sich nicht um eine Reform zur Modernisierung der Einbürgerungspraxis, sondern um ein „Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz“, sagte Throm. „Turbo-Einbürgerungen“ und doppelte Staatsbürgerschaften seien grundsätzlich falsch und mitten in einer Migrationskrise das falsche Signal.
Sein Fraktionskollege Philipp Amthor (CDU) betonte, für die Union gelte: „erst Integration, dann Staatsbürgerschaft“. Dieses Prinzip stelle die Ampel-Koalition auf den Kopf. Der Plan der Ampel-Parteien, mit schnelleren Einbürgerungen mehr internationale Fachkräfte anzulocken, werde nicht aufgehen, prognostizierte Amthor.
Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gottfried Curio, warf der Regierung „einen kalten Staatsstreich“ vor. Die Staatsbürgerschaft werde „verschleudert“. Die Koalition wolle „den Bürgern das eigene Land unter den Füßen wegziehen“, sagte Curio.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warb unter Lärm und Zurufen aus der AfD-Fraktion für ihren Gesetzentwurf. Deutschland brauche nicht nur ein modernes Einwanderungsrecht, sondern auch ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht, sagte sie. Außerdem lebten in Deutschland zehn Millionen Menschen ohne deutschen Pass, die Hälfte schon länger als zehn Jahre. Mit der Reform senkt die Ampel auch die Anforderungen an Gastarbeiter der ersten Generation, wenn sie die Einbürgerung wollen.
Die Wartezeit für eine Einbürgerung soll generell von acht auf fünf Jahre verkürzt und die Mehrstaatigkeit zugelassen werden. Voraussetzungen sind neben der Integration gute Deutschkenntnisse und die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes. Besonders gut integrierte Zuwanderer können nach drei Jahren den deutschen Pass bekommen.
Wer antisemitisch, rassistisch oder in irgendeiner Form menschenverachtend handelt, soll keinen deutschen Pass erhalten. Faeser und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) legten besondere Betonung auf diese Ausschlusskriterien. Man werde keine Personen mehr einbürgern, die menschenfeindliche Handlungen begangen haben, erklärte Buschmann mit Blick auf die antisemitischen Ausschreitungen nach dem Hamas-Überfall auf Israel.
Zwischen der FDP und den Grünen bahnt sich eine Auseinandersetzung um den Umgang mit Ausländern an, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. Zwar können für Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderung Ausnahmeregelungen greifen. Doch Buschmann betonte, das Einbürgerungsangebot richte sich an „hart arbeitende Menschen ohne deutschen Pass“, nicht an Transferempfänger. Wer als Ausländer von Sozialleistungen lebe, könne kein Staatsbürger werden, sagte der FDP-Politiker.
Demgegenüber warnte Filiz Polat von den Grünen, das Gesetz dürfe Frauen, behinderte Menschen und Kleinrentner nicht schlechter stellen. Sie kündigte an, ihre Fraktion werde sich bei den Gesetzesberatungen dafür einsetzen. An die Adresse der AfD sagte Polat, eine Frau wie Mevlüde Genc, die erst nach mehr als zwanzig Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten habe, habe als Friedensbotschafterin mehr für Deutschland getan „als viele, die sich besonders deutsch fühlen“. Genc, die 2022 gestorben ist, verlor beim Brand- und Mordanschlag von Solingen 1993 zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte.