Berlin (epd). Rolf Mützenich, der Chef der SPD-Fraktion im Bundestag, hat sich den Unmut der privaten Pflegeheimträger zugezogen. Im Interview der Sendung „Bericht aus Berlin“ mit Tina Hassel, das sich eher am Rande um die künftige Finanzierung der Pflegeversicherung drehte, hatte er gesagt: „Es geht am Ende natürlich ums Geld, aber auf der anderen Seite auch um die schwarzen Schafe, die sich in der Pflegeversicherung tummeln. Es sind leider oft auch private Anbieter, die sehr schnell Geld aus dem großen Leistungskatalog absaugen und der Wohlfahrtspflege den Rest hinterlassen. Deshalb brauchen wir eine deutliche Strukturreform, denn die kann möglichweise auf die Kosten Einfluss nehmen.“
Zu der Frage, ob die Bundeszuschüsse zur Pflegeversicherung wie geplant künftig erhört werden können, sagte er, das sei angesichts des Zwangs zum Sparen nach dem Bundesverfassungsurteil derzeit nicht sicher. Aber, so der SPD-Politiker: „Wir haben alles versucht, Stabilität in die Pflegeversicherung zu bringen, das wird auch in den nächsten zwei Jahren weiterhin unser Ziel sein.“
Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, sagte, Mützenich versuche, „von der eigenen pflegepolitischen Null-Bilanz abzulenken, indem er private Einrichtungen pauschal und jenseits aller Fakten diffamiert“. Der Ampelkoalition gelinge es seit zwei Jahren nicht, die Pflege in Deutschland zukunfts- und demografiefest aufzustellen. „Nicht einmal die vollmundigen Ankündigungen aus dem eigenen Koalitionsvertrag, die die Pflegebedürftigen sofort um mehrere hundert Euro im Monat entlasten würden, konnte die SPD bisher umsetzen“, rügte Meurer. „Eine ganze Berufsgruppe wird mit Argumenten aus dem letzten Jahrhundert an den Pranger gestellt, um die eigene Untätigkeit zu überspielen. Das ist ignorant und schäbig.“
Der Verband Deutscher Alten und Behindertenhilfe (VDAB) nannte die Aussagen des Fraktionschefs skandalös. Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer: „Es ist eine Schande, dass sich ausgerechnet ein führender Politiker einer sozialdemokratischen Partei in solch einer Weise äußert.“ Seine Organisation vertrete bundesweit mehr als 1.800 privat geführte Unternehmen aus dem Mittelstand, „die jeden Tag unter sich ständig erschwerenden Bedingungen die pflegerische Versorgung sicherstellen. Die Aussagen sind ein Schlag ins Gesicht jedes einzelnen von ihnen.“ Private Unternehmen betrieben 50 Prozent aller Pflegeeinrichtungen und bildeten das Rückgrat der Versorgung bilden. „Hier wird gar nichts zu Lasten anderer 'abgesaugt' und hier finden sich auch nicht 'die schwarzen Schafe'“.
Knieling ordnete die Aussagen wie folgt ein: Sie dienten der Ablenkung vom eigenen Versagen, nämlich bei der Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung der Pflegeversicherung. Die „Kanzler-Partei“ solle sich auf die echten Probleme konzentrieren, der professionellen Pflege klare Perspektiven geben und vor allem den Bürokratiewahnsinn auf allen Ebenen stoppen.
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP), Thomas Greiner: „Statt Fake News über private Pflegeanbieter zu verbreiten, sollte Mützenich sich lieber um die Versorgungssicherheit in der Altenpflege kümmern.“ Die sei durch diese Regierung akut gefährdet. „Die Versorgung der Pflegebedürftigen würde ohne die privaten Pflegeunternehmen und den Einsatz und das Engagement der dort arbeitenden Pflegekräfte sofort zusammenbrechen“, betonte der Verbandschef. Zwar habe der SPD-Politiker gesagt, eine Strukturreform, die die steigenden Kosten der Pflegeversicherung eindämmen soll, sei nötig. „Wie diese genau aussehen soll, ließ der SPD-Fraktionsvorsitzende im Interview allerdings offen“, monierte Greiner.
Michael Billen, Landesvorstand NRW des Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad), warf Mützenich ebenfalls vor, von den eigenen Versäumnissen abzulenken. „Das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, die Pflegeversicherung auf solide Füße zu stellen, wurde nicht eingehalten.“ So habe es die Bundesregierung bei ihren jüngsten Gesetzesvorhaben bewusst versäumt, die Pflegesachleistungen der Versicherten im gleichen Maße anzuheben, wie die Kosten für die Pflege gestiegen sind. Die Bundesregierung habe den Rotstift an der pflegerischen Versorgung angelegt und suche nun die Verantwortung für die Folgen bei anderen.