sozial-Branche

Behinderung

Freundebuch "Menschenskinder" stellt besondere Kinder vor




Cover des inklusiven Freundebuches
epd-bild/Selbsthilfegruppe Teilhabe jetzt!/Renidere Verlag
Freundebücher - das sind die Poesiealben von heute. Schade nur, dass Kinder mit Behinderung in diesen Publikationen oft nur selten erscheinen. Das soll das Freundebuch "Menschenskinder" ändern - und zeigen: Verschiedenheit ist kein Hindernis für Freundschaften.

Nordheim (epd). Freundebücher kursieren in Kindergärten und Schulklassen: In sie kleben Kinder ein Foto von sich ein und beantworten auf einer Doppelseite Fragen. In dem Freundebuch „Menschenskinder. Wir können Freunde sein“, das ab Anfang Dezember im Renidere-Verlag erhältlich ist, stellen sich Kinder mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen und Erkrankungen vor.

„Meine Tochter bringt oft Freundebücher mit nach Hause. Unser Sohn, der mit ihr zusammen im Kindergarten war, fast nie“, sagt Verena Niethammer, die Ideengeberin des Buches aus Nordheim im Landkreis Heilbronn. Auch Spieldates habe ihr neunjähriger Sohn mit Behinderung und chronischen Erkrankungen nur selten. „Dabei liebt es Mattis unglaublich, wenn wir ein Haus voller Kinder haben“, so die Leiterin der Selbsthilfegruppe „Teilhabe jetzt!“ des Vereins Hölder-Initiative.

Buch gibt 30 Kindern eine Stimme

In dem Freundebuch „Menschenskinder“ kommt Mattis mit insgesamt 30 Kindern zu Wort. Man erfährt, dass er Folk-Rock-Musik mag und ihn unvermittelt laute Geräusche stören. Gerne isst Mattis Süßkartoffeln und Hackfleisch püriert sowie Schokosahne - und er lacht viel über beide Ohren. Zurzeit übt er Radfahren mit seinem Therapiedreirad. Wenn er einen Wunsch frei hätte, würde er: „Die blöden Spastiken wegzaubern und meine Nieren reparieren und eine riesen Schokotorte bestellen.“

Das Freundebuch wurde von pflegenden Familien hauptsächlich aus Baden-Württemberg, aber auch aus anderen Orten in Deutschland ausgefüllt. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf Kindern mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen und Erkrankungen. Aber auch Geschwisterkinder sowie Kinder behinderter und chronisch kranker Eltern und ohne klare Diagnosen sind in dem Buch vertreten. Illustriert wurde das Buch von der pflegenden Mutter und Buchillustratorin Nele Junghanns.

Behinderungen sollen nicht im Vordergrund stehen

Manche der Kinder können nicht selbst sprechen und lassen Familienmitglieder über sie berichten. So wie der elfjährige Kyle, der auf dem Foto auf seinem Therapieschaf liegt, gerne in seiner Steh-Orthese am Tisch steht, mit seinen Lieblingsspielzeugen spielt und „Rabe Socke“ mag. Er hat einen sehr seltenen Gendefekt und sagt acht Worte - drei davon auf Französisch, erfährt man in dem Freundebuch.

„Das Buch soll behinderte oder chronische kranke Kinder vorrangig als Kinder zeigen“, sagt Niethammer dem epd. Die Behinderung oder Erkrankung sei ein gewichtiger Teil ihrer Identität, aber absolut nicht das, was im Vordergrund stehen solle. „Kinder mit Behinderungen haben selbstverständlich Interessen, Hobbies, Vorlieben wie anderer Kinder und Jugendliche auch. Hier kann man sehen, wie ähnlich wir uns alle sind in unserer Verschiedenheit.“

Teilhabe soll sichtbarer werden

Das Buch richte sich an Kinder und wolle präventiv wirken, bevor die „Mauern wachsen“. Es soll auch an einige regionale Kitas und Grundschulen verschenkt werden und in die „Inklusionsboxen“ kommen, die der Verein Hölder-Initiative zum kostenlosen Verleih anbietet.

„Wir von der Selbsthilfegruppe 'Teilhabe jetzt!' wollen für mehr Sichtbarkeit sorgen und Begegnungen anbahnen - in Buchform und in der Wirklichkeit“, sagt Niethammer. Denn oft lebten pflegende Familien noch immer in Parallelwelten zwischen speziellen Förder- und Sonderschulen, Kliniken und Therapiezentren - ohne dass die meisten das so wollten, weiß die Mutter. „Doch jedes Kind möchte dazugehören und wünscht sich Freundschaften.“

Judith Kubitscheck