Berlin (epd). Nach der Kritik vieler Bundesländer an der geplanten Kindergrundsicherung im Bundesrat haben das Deutsche Kinderhilfswerk und der Kinderschutzbund Bundesfamilienministerin Lisa Paus aufgerufen, die erhobenen Einwände eingehend zu prüfen. „Es muss dafür gesorgt werden, dass die Kindergrundsicherung zu einer echten Sozialreform zum Wohle der Kinder wird“, sagte Präsident Thomas Krüger am 29. November dem Evangelischen Pressedienst (epd).
In der Länderkammer war am 24. November deutliche Kritik an den Plänen zu hören. Während die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) das Vorhaben im Ganzen ablehnte, warben Ministerinnen von grün- und SPD-mitregierten Ländern für weitreichende Änderungen, wie sie auch von den verschiedenen Fachausschüssen gefordert und dem Bundesrat empfohlen werden. Unter anderem werden neue Doppelstrukturen befürchtet.
Krüger sagte, es müsse endlich gelingen, die beschämend hohe Kinderarmutsquote spürbar zu senken: „Dafür ist die Kindergrundsicherung ein wichtiger erster Schritt, aber eben auch nicht mehr.“ Für ein Gelingen der Reform brauche es die Unterstützung aus allen politischen Lagern, aber auch der betroffenen Verwaltungen.
„Auch wenn die Kindergrundsicherung nach jetzigem Planungsstand nicht der erhoffte große Wurf ist, begrüßen wir den Grundansatz, dass Kinder nicht weiter als Bittsteller von Sozialleistungen gesehen werden“, sagte der Präsident. Es sei wichtig, dass die Grundideen einer Kindergrundsicherung erhalten bleiben. Dazu gehörten die Entbürokratisierung, eine klare Anlaufstelle für Familien sowie eine finanzielle Ausgestaltung der Leistung, die allen Kindern Teilhabe ermögliche, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. „Aus unserer Sicht braucht es dafür eine gemeinsame Anstrengung für einen echten Paradigmenwechsel und im Ergebnis eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen verdient“, so der Präsident.
Sabine Andresen, Präsidentin des Kinderschutzbundes, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Das aktuelle System ist dysfunktional: Es ist bürokratisch, es erreicht die Familien nicht und es ist nicht armutsfest. Wir brauchen eine Kindergrundsicherung, die diese Probleme löst. Dass mit den vorgesehenen Familienservicestellen künftig eine Anlaufstelle für alle Familien geschaffen werden soll, ist ein richtiger und notwendiger Schritt, um den bürokratischen Dschungel etwas zu lichten.“
Aber, so sagte sie weiter: „Ich teile allerdings die Kritik an der derzeit vorgeschlagenen Ausgestaltung. Es ist nicht zielführend, dass es für Familien im Bürgergeld künftig mehr Anträge und Behörden geben soll. Ein automatisierter Datenaustausch zwischen den Behörden könnte dieses Problem im Sinne der Familien vermutlich lösen“, so die Präsidentin. Das sei eine Frage des politischen Willens und einer guten Umsetzung in der Verwaltung: „ So, wie es jetzt ist, darf es nicht bleiben. Das gilt auch mit Blick auf den aktuellen Haushaltsstreit.“
Ministerin Scharf sagte in der Länderkammer, mit der Kindergrundsicherung werde es nicht gelingen, die Kinderarmut zu bekämpfen. Sie warnte vor Enttäuschungen und einem weiteren „Respektverlust gegenüber den Eliten“. Die Ampel-Koalition will in der Kindergrundsicherung ab 2025 das Kindergeld, den Kinderzuschlag und das Bürgergeld beziehungsweise die Sozialhilfe für Kinder zusammenfassen. Die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit (BA) sollen zu Familienservicestellen ausgebaut werden.
Viel Kritik kam auch aus den Ländern, die der Einführung einer Kindergrundsicherung grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Die Hamburger Familiensenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) bemängelte, für Familien mit behinderten oder erkrankten Kindern werde es keine Vorteile geben. Es werde auch für alle Familien nicht wie versprochen nur noch eine Anlaufstelle geben. Es seien neue Doppelstrukturen zu befürchten. Die Länder stünden vor vielen offenen Fragen. Die schleswig-holsteinische Familienministerin Aminata Touré (Grüne) drängte darauf sicherzustellen, dass alle Familien künftig wirklich nur noch eine Anlaufstelle hätten.
Bundesfamilienministerin Paus ging auf die Befürchtungen und die 104-seitige Stellungnahme der Länderkammer im Detail nicht ein, sagte aber zu, die Vorschläge prüfen zu wollen. Sie versicherte, es werde daran gearbeitet, dass die Kindergrundsicherung bei allen Familien ankomme und unnötige Behördengänge vermieden würden.