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Behinderung

Gastbeitrag

"Inklusion 360°": Innovative Zusammenarbeit




Ronja Voigt
epd-bild/Sozialwerk St. Georg.
Das Sozialwerk St. Georg e. V. will Menschen mit Assistenzbedarf ein selbstbestimmtes Leben nach ihren Wünschen und Bedürfnissen ermöglichen. Das gilt auch für den Bereich der Arbeit. Ronja Voigt erläutert in ihrem Gastbeitrag, wie das mit dem Konzept "Inklusion 360°" gelingt.

In einer sich immer stärker vernetzenden Gesellschaft werden inklusive Arbeitsmodelle immer wichtiger. Deshalb hat die Sozialwerk St. Georg Werkstätten gGmbH in Gelsenkirchen das Konzept „Inklusion 360°“ entwickelt, um Inklusion in der Arbeitswelt voranzutreiben und Menschen mit Assistenzbedarf ganzheitlich zu fördern.

Die Idee zum Konzept entstand Ende 2017, als das Start-up-Unternehmen „Kraken GmbH“ von Tobias Dröschel gegründet wurde und erste Kontakte zur Zusammenarbeit geknüpft wurden. Nach anfänglichen Konfektionierungsaufträgen, die durch Beschäftigte unserer Werkstätten für den Kunden erledigt wurden, wuchs der beidseitige Wunsch nach mehr Inklusion und einer engeren Zusammenarbeit.

Integrativer Bestandteil im Werkstattgeschehen

Nach intensiven Gesprächen und Planungen ging die Kraken GmbH, ein Hersteller von Zubehör für Spiele, eine Kooperation mit unseren Werkstätten ein. Wir stellten der Firma im Juli 2019 Räumlichkeiten zur Verfügung, und so starteten wir als gleichwertige Partner. Dabei wurden zusätzliche wirtschaftliche Ressourcen für und im Sinne der Beschäftigten geschaffen. Fortan war die Kraken GmbH ein integrativer Bestandteil im Werkstattgeschehen.

Die Kooperation schafft transparente und barrierearme Übergänge für Menschen mit Assistenzbedarf auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und erweitert so das Angebotsportfolio für die Beschäftigten der Werkstatt. Die Anbindung an vertraute Personen und Strukturen bietet den Betroffenen ein großes Maß an Sicherheit und die Möglichkeit, sich schrittweise auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Die Zusammenarbeit zeigte sich sehr schnell als fruchtbar für beide Kooperationspartner. Neben der Bearbeitung von Aufträgen innerhalb der Werkstatt konnten betriebsintegrierte Arbeitsplätze und Praktikumsplätze für Beschäftigte aus der Werkstatt geschaffen werden. So etwa berichtet Adrian van Eyk, die Zusammenarbeit mit Kraken habe sich zu einer echten Win-win-Situation entwickelt. „Zum einen geben wir acht unserer Beschäftigten eine echte berufliche Perspektive. Zum anderen erhalten wir neue Aufträge von dem Spielehersteller, zum Beispiel für unsere Schreinerei. Oder wir nutzen dessen Laser für unsere Arbeiten.“

Nähe ermöglicht pädagogische Unterstützung

Tobias Dröschel, Geschäftsführer von Kraken, betont, die räumliche Nähe sei von großem Vorteil, insbesondere wenn es zum Beispiel um pädagogische Unterstützung seitens der Job-Coaches der Werkstatt gehe. Bisher konnten acht Menschen mit Assistenzbedarf bei der Kraken GmbH auf einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz wechseln und sich dem allgemeinen Arbeitsmarkt nähern.

Hierbei sind die Beschäftigten maßgeblich in alle Produktionsprozesse inklusiv eingebunden und steuern Produktionsprozesse teilweise komplett eigenständig. Beispielsweise werden Lagerhaltung oder Lasermaschinen von Beschäftigten bedient. Auch wurden neue Arbeitsangebote in die Werkstatt transportiert, die allen Beschäftigten die Chance bietet, an dem Konzept zu partizipieren.

Ein großer Erfolg in Richtung Inklusion erfolgte im August, als einer unserer Beschäftigten in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bei der Firma „Kraken GmbH“ übernommen wurde. Diese Entwicklung zeigt, dass betriebsintegrierte Arbeitsplätze nicht nur kurzfristige Perspektiven bieten, sondern auch langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen können. Theoretisch wäre auch eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer möglich gewesen.

Plan: 120 betriebsintegrierte Arbeitsplätze schaffen

In den zurückliegenden Jahren hat die Bedeutung von betriebsintegrierten Arbeitsplätzen stetig zugenommen und rückt zunehmend in den Fokus von Unternehmen und Gesellschaft. Auch wir spüren diese Entwicklung sehr deutlich. Für das Jahr 2023 ist geplant, 20 Prozent aller Beschäftigten auf einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz zu vermitteln, das sind circa 120 Personen. Ein betriebsintegrierter Arbeitsplatz ermöglicht Menschen mit Assistenzbedarf, in einem regulären Unternehmen zu arbeiten und sich erfolgreich in die Arbeitswelt zu integrieren. Dabei wird der Arbeitsplatz individuell an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter angepasst, um eine optimale Arbeitsumgebung zu schaffen. Zusätzlich erhalten die Beschäftigten Unterstützung und Begleitung durch einen unserer Job-Coaches.

Die Erfolgsgeschichte von Kraken GmbH und der Sozialwerk St. Georg Werkstätten gGmbH steht exemplarisch für das Potenzial der Inklusion 360°. Immer mehr Unternehmen erkennen die vielfältigen Vorteile dieser Kooperationen. Im Januar 2022 fand die Idee von gemeinsamen, inklusiven Arbeiten auf einem Gelände innerhalb von Gelsenkirchen einen Nachahmer. Ein weiteres Unternehmen, die Firma Seifen aus dem Bereich der Dachdeckung, zog auf das Gelände der Werkstatt. In Zukunft erhoffen wir uns, dass noch weitere Firmen diese Erfolgsgeschichte als Ansporn nehmen und so weitere inklusive Partnerschaften entstehen.

Ronja Voigt ist beim Sozialwerk St. Georg in Gelsenkirchen Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und für Fundraising.