Berlin (epd). Zur Herstellung von Barrierefreiheit auf allen gesellschaftlichen Ebenen braucht es aus der Sicht von Sachverständigen gesetzliche Regelungen. Selbstverpflichtungen und weitere Aktionspläne reichten nicht aus, hieß es während einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Mehr Tempo für Barrierefreiheit und einen inklusiven Sozialraum“ am 13. November in Berlin.
Christiane Möller vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband sagte, das Prinzip der Freiwilligkeit habe „jahrzehntelang“ nicht funktioniert. Es müsse folglich zwingend über gesetzliche Regelungen „mit angemessenen Übergangsfristen“ gesprochen werden, forderte sie. Die Expertin betonte, das Vorhandensein einer barrierefreien Infrastruktur oder barrierefreier Produkte und Dienstleistungen sei entscheidend für die Frage: „Bin ich drin oder bin ich draußen in dieser Gesellschaft?“
Auf den vom Bundesgesundheitsministerium angestoßenen „Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ ging Janina Bessenich, Geschäftsführerin der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, ein. Sie kritisierte, dass die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an diesem Prozess sehr beschränkt se. Zudem beschränkt sich das Vorhaben des Ministeriums laut Bessenich nur auf bestimmte Bereiche. Sie rügte, es habe in der Vergangenheit schon viele Aktionspläne gegeben, obwohl es darum gehen müsse, „dass alle Gesetze im Bereich des Ministeriums dafür sorgen müssen, dass Barrierefreiheit sichergestellt ist“.
Er sei ein Freund des Ordnungsrechtes, sagte Jonas Fischer vom Sozialverband Deutschland (VdK). Auch er ebtonte, dass Selbstverpflichtungen, egal ob in Sachen Mobilität, beim Bauen und Wohnen oder bei privaten Anbietern von Produkten und Dienstleistungen, nicht ausreichten. „Wir brauchen gesetzliche Regelungen“, betonte Fischer.
Volker Sieger von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See erwartet noch in dieser Legislaturperiode „eine große Barrierefreiheitsreform“, ähnlich wie es im Koalitionsvertrag festgelegt sei. Zentrales Element müssten Verpflichtungen der Privatwirtschaft sein.
Dass die Handlungsfelder bei dem Aktionsplan des Gesundheitsministeriums ohne Beteiligung der Menschen mit Behinderungen vorgegeben worden seien, stieß aucxh bei Anieke Fimmen vom Sozialverband Deutschland auf Kritik. „Wir hätten uns sehr gewünscht, an der Erarbeitung der Kriterien beteiligt zu werden“, sagte sie. Helmut Vogel vom Deutschen Gehörlosenbund schloss sich der Kritik an. Bei dem Prozess im Ministerium brauche es eine Steuerungsgruppe, an der der Behindertenrat beteiligt sei und die die Partizipation sicherstelle, sagte Vogel.
Eine inklusive Gesellschaft entstehe nicht von selbst, heißt es in der Stellungnahme des Einzelsachverständigen Eberhard Eichenhofer, Jurist aus Jena. Sie entstehe vor allem dann nicht, „wenn die bestehende Gesellschaft einzelne wie Gruppen wegen ihres Geschlechts, Alters, einer Behinderung, ethnischer Herkunft oder sexueller Orientierung die rechtlich gebotene Gleichbehandlung vorenthält“. Die Stellung von Menschen mit einer Behinderung müsse, so der Experte, im Zuge von Inklusion verbessert werden. Die Aufnahme des Begriffs „angemessene Vorkehrungen“ in das deutsche Recht würde aus seiner Sicht dazu entscheidend beitragen.