Berlin (epd). Prostitution ist in Deutschland seit 2002 nicht mehr sittenwidrig. Seit einer Gesetzesreform der rot-grünen Bundesregierung haben Prostituierte Zugang zur Sozialversicherung und das Recht, ihren Lohn einzuklagen. Kritikerinnen sagen, dass diese Änderung Prostituierte nicht bessergestellt, sondern dem organisierten Verbrechen und dem Menschenhandel Vorschub geleistet habe.
Im Jahr 2022 gab es nach dem „Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung“ des Bundeskriminalamts (BKA) 346 Verfahren wegen „sexueller Ausbeutung“ mit 476 erwachsenen Opfern. Jedes dritte Opfer, dessen Alter ermittelt werden konnte, war jünger als 21 Jahre. Zur sexuellen Ausbeutung gehören die Straftatbestände Zwangsprostitution und Menschenhandel. Die Prostitution habe sich von der Straße und Bordellen weiter in Wohnungen und Hotels verlagert, heißt es im Bericht des BKA.
Wie viele Menschen in Deutschland sich unter Zwang prostituieren, lässt sich nicht sagen. Ebenso wenig weiß man, wie viele Menschen in Deutschland überhaupt Geld mit Prostitution verdienen. Zwar müssen sie sich nach dem Prostituiertenschutzgesetz von 2017 bei den Behörden anmelden, das machen aber längst nicht alle.
Sicher ist, dass Ende 2022 rund 28.280 Prostituierte bei den deutschen Behörden gemeldet waren. Die meisten von ihnen waren zwischen 21 und 44 Jahre alt, 5.870 von ihnen 45 Jahre und älter, 1.050 waren zwischen 18 und 20 alt. 35 Prozent der gemeldeten Prostituierten hatten die rumänische Staatsbürgerschaft, elf Prozent die bulgarische.
Ziel des Prostituiertenschutzgesetzes ist es, die Menschen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. Die Sexarbeitenden müssen sich nicht nur anmelden, sondern auch zu gesundheitlichen Themen beraten lassen. Der Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen BesD lehnt die Maßnahmen als stigmatisierend und ineffektiv ab.
Prostitution ist umstritten: Während die einen von Sexarbeit als Dienstleistung sprechen und selbstbestimmte Prostitution klar von Zwangsprostitution trennen, fordern andere die Abschaffung der Prostitution. Sie fordern ein Sexkaufverbot und Strafen für Freier, die sexuelle Dienstleistungen käuflich erwerben.
Elke Mack, Professorin für Sozialwissenschaften an der Universität und Autorin einer kürzlich veröffentlichten Studie zum Thema, spricht von Prostitution als „Sklaverei im eigenen Land“. Die meisten Prostituierten seien ausländische, bildungsarme Frauen, die bis zu 20 Freier am Tag bedienen müssten. Viele von ihnen würden erpresst.
Von den gesundheitlichen Folgen der Prostitution berichtet Frauenärztin und Prostitutionsgegnerin Liane Bissinger. Sie hat zwischen 1996 und 2000 in einer Hamburger Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten Menschen in der Prostitution beraten. Zu den gesundheitlichen Folgen gehören nach ihren Angaben Einrisse und Verletzungen durch Überdehnung oder gezielte Verletzungen im Unterleib.
Blasenentzündungen seien weit verbreitet. Sie habe junge Frauen gesehen, die Probleme hatten, Urin oder Stuhlgang zu halten, weil ihr Beckenboden Schaden genommen hatte. Prostituierte litten unter Ekzemen, Schmerzen am ganzen Körper und Schlafstörungen, viele konsumierten Drogen und Alkohol, um ihren Alltag zu ertragen. Im Vergleich zu den körperlichen Schäden seien die Auswirkungen auf die Psyche noch tiefer und nachhaltiger, sagt Bissinger.
Für eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2010 wurden 193 weibliche Prostituierte in Zürich befragt. Danach litten nicht-europäische Frauen, die wenig soziale Unterstützung hatten, unter hohem Druck standen und viel Gewalt ausgesetzt waren, zu 90 Prozent unter Depressionen, Ängsten oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Von den Frauen, die soziale Unterstützung hatten, nicht unter Druck standen und wenig Gewalt erlebten, hatten 19 Prozent eine psychische Erkrankung.