Wiesbaden (epd). „Mir geht es wunderbar, hier ist fett Party und ich trete bald auf“, sagt Kay-Uwe Gebert. Der 35-Jährige ist Frontmann der Band „Ruhestörung“, die als eine der Acts im Wiesbadener Schlachthof gebucht ist. Auf der Bühne sind acht Bandmitglieder mit Beeinträchtigung, sie spielen Keyboards, E-Drum, E-Bass. Zwei sitzen im Rollstuhl, zwei der Sänger gestikulieren mit ihren Händen und singen lautstark. Sie sind Klientinnen und Klienten des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Nassau (EVIM) in Wiesbaden.
Johanna Schröter arbeitet seit zwölf Jahren für EVIM und hat das Event „Liebe X Leben X Feiern“ maßgeblich mitorganisiert. Es soll Menschen mit und ohne Beeinträchtigung möglich machen, gemeinsam am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, sagt die 35-Jährige.
Auf der Tanzfläche performt auch Cindy Klink. Sie übersetzt die Texte der Band „Ruhestörung“ in Gebärdensprache. Die 26 Jahre alte „Deaf-Performerin“ Klink war bis vor vier Monaten selbst gehörlos, seitdem hat sie eine Hörprothese. Sie hat auch schon bei den „Fantastischen Vier“ oder Wincent Weiss Musiktexte für gehörlose Konzertbesucher übersetzt. Das kleine Publikum hier im Schlachthof sei herzergreifend, sagt die Frau mit den zwei blonden Zöpfen.
Vor der Bühne bewegen sich die Gäste zu Coversongs wie „Nur noch kurz die Welt retten“ von Tim Bendzko oder „Ein Kompliment“ von Sportfreunde Stiller. Die Halle ist mit rund 250 Gästen gut gefüllt, Menschen tanzen, singen oder hüpfen zur Musik. Auch Rollstuhlfahrer feiern in der großen Halle mit, ein Mann hat einen Sprachcomputer an seinem Rollstuhl.
Viele Partygäste tragen kleine, runde Buttons an ihrer Kleidung, die im Eingangsbereich verteilt werden. Es gibt es ein schwarzes X oder ein rotes Herzsymbol. Dana Halm, die Verlobte von Frontmann Gebert, zeigt auf den X-Button auf ihrem T-Shirt. Dieser stehe für vergeben, denn sie sei seit fünf Jahren mit Gebert verlobt, erklärt sie.
Wer hingegen einen Herz-Button trägt, signalisiert, dass er oder sie auf der Suche nach einer Partnerin oder einem Partner ist. Ansprechpartner helfen auf Wunsch, jemanden anzusprechen, erklärt Schröter. Sie tragen gut sichtbar ein T-Shirt mit dem Logo der Party und sind zahlreich vertreten. Dieses „Awareness-Team“, das auch vor übergriffigem Verhalten schützt, schaue, wer mit wem nach Hause gehe, um auszuloten, ob sich die Personen schon länger kennen, erklärt Schröter. So solle Missbrauch vermieden werden.
Bei dem Event blitzt kein Stroboskop, damit auch Epileptiker kommen können, außerdem gibt es barrierefreie Toiletten. Alkohol wird ausgeschenkt, aber laut Barmann werden Cola und Limo am häufigsten bestellt.
Auf der Tanzfläche feiern hauptsächlich Menschen mit Beeinträchtigung. Bei denen ohne Beeinträchtigung scheint es sich um Begleiter zu handeln oder ehrenamtliche Helfer. Eine Mischung der Besucher müsse sich im Laufe der Jahre erst etablieren, meint Organisatorin Schröter. Ideal wäre es für sie, wenn man gar nicht mehr erwähnen müsste, dass dies eine Party für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung sei.