sozial-Recht

Bundessozialgericht

Sozialabgabenpflicht im ärztlichen Notdienst möglich



Kassel (epd). Auch mit der Teilnahme eines Arztes oder Zahnarztes am ärztlichen Notdienst kann eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegen. Nimmt ein sogenannter Pool-Zahnarzt, also ein Zahnarzt ohne eigene Praxis, am ärztlichen Notdienst teil und ist er dort fest in die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisierten Abläufe eingebunden, spricht das für eine abhängige und nicht selbstständige Beschäftigung, urteilte am 24. Oktober das Bundessozialgericht in Kassel. Die Entscheidung der Kasseler Richter kann nicht nur für Zahnärzte, sondern auch für andere Ärzte ohne Praxis gelten, die am ärztlichen Notdienst teilnehmen.

Im Streitfall ging es um einen Zahnarzt aus dem Raum Heidelberg, der 2017 seine Praxis verkauft hatte. In der Folgezeit übernahm er als Pool-Arzt überwiegend an Wochenenden von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisierte Notdienste. Hilfspersonal und Ausstattung des Notdienstes wurden gestellt. Pro Stunde erhielt er für seine Arbeit bis zu 50 Euro.

Zahnarzt beantragte selbst die Prüfung

Als ihm nach seinen Angaben zu enge fachliche Vorgaben bei der Behandlung der Patienten gemacht wurden, beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Prüfung, ob es sich bei dem Notdienst um eine abhängige Beschäftigung handelt. In diesem Fall müsste die Kassenzahnärztliche Vereinigung insbesondere Rentenversicherungsbeiträge zahlen. Nach einer Wartezeit von fünf Jahren hätte der Zahnarzt dann Anspruch auf eine Rente.

Rentenversicherungsträger und Kassenzahnärztliche Vereinigung werteten die Notdiensttätigkeit als selbstständige und damit als sozialversicherungsfreie Beschäftigung. Das Bundessozialgericht gab jedoch dem Zahnarzt recht. Entscheidend sei immer eine individuelle Prüfung, inwieweit ein Beschäftigter weisungsgebunden und in die betrieblichen Abläufe eingegliedert ist.

Im konkreten Fall habe der Zahnarzt die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung angemieteten Räume, die dortige Ausstattung und die angestellten Hilfskräfte genutzt. Einen entscheidenden oder gar unternehmerischen Einfluss habe er nicht gehabt. Damit liege nach dem Gesamtbild eine abhängige Beschäftigung vor.

Sozialminister übt Kritik

Enttäuscht reagierte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha auf die Entscheidung: „Die ambulante ärztliche Versorgung außerhalb der regulären Sprechstunden gehört zu den unverzichtbaren Interessen des Allgemeinwohls und muss der Bevölkerung uneingeschränkt und niederschwellig zur Verfügung stehen“ Mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts sei dem ärztlichen Bereitschaftsdienst in Baden-Württemberg in seiner jetzigen und gut funktionierenden Form die rechtliche Grundlage entzogen worden, so der Minister.

Bereits im Vorfeld der Entscheidung hatte sich Baden-Württemberg als Vorsitzland der Gesundheitsministerkonferenz gemeinsam mit den anderen Ländern im Bundesrat für die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Ausnahme von der Sozialversicherungspflicht für die sogenannten Poolärztinnen und -ärzte eingesetzt. Leider habe der Bund diesem berechtigten Anliegen eine Absage erteilt, sagte Lucha.

Az.: B 12 R 9/21 R