Kassel (epd). Non-binäre Menschen können sich nicht auf Krankenkassenkosten beide Brüste operativ entfernen lassen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am 19. Oktober verkündeten Urteil entschieden und damit die Klage einer Person abgewiesen, die sich weder als Frau noch als Mann versteht.
Die aus dem Raum Mannheim kommende Person wurde als Frau geboren. Sie fühlte sich aber keinem Geschlecht zugehörig. Wegen ihrer sogenannten non-binären Geschlechtsidentität ließ sie ihren Vornamen und ihre Geschlechtsangabe im Geburtenregister ändern.
Sie litt aber darunter, dass sie weibliche Brüste hatte und von ihrer Umwelt als Frau wahrgenommen wurde. Anfang Dezember 2019 beantragte sie infolge ihres psychischen Leidensdrucks bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für die operative Entfernung ihrer Brüste.
Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Eine non-binäre Geschlechtsidentität sei kein behandlungsbedürftiger Zustand. Ob die OP den Leidensdruck lindere, sei unklar.
Daraufhin ließ die versicherte Person auf eigene Kosten die Operation vornehmen. Die Kosten in Höhe von 5.305 Euro machte sie gerichtlich geltend.
Die Klage hatte vor dem BSG jedoch keinen Erfolg. Es handele sich bei dem Eingriff in den gesunden Körper von non-binären Personen um eine neue „Untersuchungs- und Behandlungsmethode“, deren Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bewerten müsse. Das Gremium legt fest, welche Behandlungen die Krankenkassen bezahlen müssen.
Bislang habe die Rechtsprechung darauf basiert, dass operative Eingriffe in den gesunden Körper zur Geschlechtsangleichung von Mann oder Frau ausnahmsweise möglich seien, erläuterte das BSG. Bei non-binären Personen greife der Maßstab Mann/Frau aber nicht mehr. Es sei daher erforderlich, dass der G-BA den operativen Eingriff empfiehlt. Auch müssten klare Grenzen gezogen werden, wann ein notwendiger medizinischer Eingriff und wann lediglich eine nicht von der Krankenkasse zu übernehmende Schönheitsoperation vorliegt.
Bis zur Prüfung des G-BA sollten die Krankenkassen daher die bislang anhängigen Verfahren zur Kostenübernahme aus Vertrauensschutzgründen übernehmen, appellierte BSG-Präsident Rainer Schlegel.
Az.: B 1 KR 16/22 R