sozial-Recht

Landessozialgericht

Taxifahrtkosten zur Schule als Eingliederungshilfe



Essen (epd). Ein schwerst gehbehindertes Kind kann im Einzelfall die Übernahme von Taxikosten für Fahrten zur Schule als Eingliederungshilfeleistungen beanspruchen. Handelt es sich um behinderungsbedingt erforderliche, nicht vom Schulträger übernommene Kosten und ist die Beförderung des Kindes nicht durch einen Schülerspezialverkehr möglich, unterliegen die Taxifahrtkosten "grundsätzlich dem Leistungskatalog der Eingliederungshilfe, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem am 5. Oktober veröffentlichten Urteil. Dies gelte auch dann, wenn die Beförderung des Kindes durch die Eltern grundsätzlich möglich wäre, erklärten die Essener Richter.

1,1 Kilometer zur Schule

Bei der 2006 geborenen Klägerin besteht ein Grad der Behinderung von 100, Merkzeichen „aG“ (außergewöhnlichen Gehbehinderung) zuerkannt. Gehstrecken bis zu einem Kilometer kann sie wegen einer angeborenen Gelenkbewegungserkrankung nur mit größter Mühe bewältigen. Ein Fahrrad oder Bus und Bahn kann sie behinderungsbedingt nicht nutzen.

Als die Schülerin auf ein Gymnasium wechselte, nahm sie für den 1,1 Kilometer langen Schulweg - wie zuvor auch in der Grundschule - das Taxi. Die Taxifahrtkosten für das Schuljahr 2017/2018 beliefen sich auf 2.240 Euro. Der Schulträger des Gymnasiums erstattete ihr nach der Schülerfahrtkostenverordnung nur 60,42 Euro als Wegstreckenentschädigung. Die restlichen 2.179,58 Euro machte die Schülerin als Eingliederungshilfeleistungen geltend.

Der Eingliederungshilfeträger lehnte ab. Die Eltern seien zur Beförderung ihrer Tochter verpflichtet. Dies sei ihnen mit ihren Pkws auch möglich.

Entlastung der Eltern

Doch die Klage der Schülerin hatte vor dem LSG Erfolg. Behinderungsbedingt erforderliche Fahrtkosten unterfielen grundsätzlich dem Leistungskatalog der Eingliederungshilfe, vorausgesetzt der Schulträger komme dafür nicht auf. Hier könne die Klägerin die Schule nicht ohne fremde Hilfe erreichen. Ein Schülerspezialverkehr gebe es nicht. Zwar hätten die Eltern eine Pflicht zur Beförderung ihres Kindes zur Schule. Dem seien sie aber nachgekommen, indem sie die Fahrten organisiert und die Taxikosten vorfinanziert hätten. Eine Verpflichtung, die Kosten zu tragen, gebe es nicht. Vielmehr müsse "die Allgemeinheit die Eltern im Rahmen der Eingliederungshilfe entlasten.

Es würde die Klägerin angesichts ihres Alters benachteiligen, wenn sie den Schulweg nicht alleine bewältigen dürfe, sondern sie weiter von einem Transport der Eltern abhängig wäre. Dies sei mit dem Gedanken der Inklusion nicht vereinbar.

Gegen das Urteil wurde Revision beim Bundessozialgericht in Kassel eingelegt. Es ist dort unter dem Aktenzeichen B 8 SO 3/23 R anhängig.

Az.: L 9 SO 240/21