Frankfurt a. M. (epd). Mit Beginn dieses Jahres wurde Hartz IV in Bürgergeld umgewandelt. Auf die Jobcenter kamen damit neue Herausforderungen zu. Seit 1. Juli greift nun auch die zweite Stufe der Bürgergeldreform. Was es damit auf sich hat, weiß Matthias Kleindienst, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg. „Im Kern geht es bei der zweiten Stufe der Bürgergeldreform darum, dass wir nun Instrumente haben, mit denen wir Betroffenen den Weg in Beschäftigung besser ebnen können“, teilte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit.
So wurden zum einen die Freibeträge für Bürgergeldbezieher erhöht, die zusätzlich Erwerbseinkommen erzielen. Sie dürfen, wenn sie zwischen 520 Euro und 1.000 Euro verdienen, seit Juli davon 30 Prozent behalten. Zuvor waren es lediglich 20 Prozent. Außerdem wurde die bisherige Eingliederungsvereinbarung durch einen sogenannten Kooperationsplan abgelöst. Er diene als gemeinsamer Fahrplan, um eine Stelle am Arbeits- oder Ausbildungsmarkt zu erlangen, sagt Kleindienst.
Zudem sollen Weiterbildungsmöglichkeiten den Weg zurück in Arbeit vereinfachen. Hierbei gibt es einmal das Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich für Weiterbildungen, die zu einem Berufsabschluss führen, sowie den Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro im Monat für nicht-abschlussbezogene Weiterbildungen mit einer Dauer von mindestens acht Wochen.
„Diese Prämien sollen einen finanziellen Anreiz darstellen und so den Menschen im Bürgergeldbezug die Entscheidung für eine Weiterbildung erleichtern“, erklärt Kleindienst. Weiterbildung und Qualifizierung würden somit attraktiver. „Schließlich ist Bildung der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit und hilft, den Drehtüreffekt, also den schnellen Wiedereintritt in die Arbeitslosigkeit, zu vermeiden“, sagt Kleindienst. Laut BA-Vorstand Daniel Terzenbach rückt mit der zweiten Bürgergeldreform eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration vor der schnellen Jobvermittlung in den Vordergrund.
In den sozialen Medien tauschen sich Bürgergeldbezieherinnen und -bezieher über die Neuerungen aus. Hier sind die Meinungen geteilt. „Das Weiterbildungsgeld von 150 Euro ist goldrichtig“, schreibt eine Nutzerin auf X, vormals Twitter. Andere empfinden die Höhe als zu gering. Eine Nutzerin kritisiert zudem, dass der Bürgergeldbonus nicht für Fernuniversitäten gelte.
Die Jobcenter wurden auf die Neuerungen gut vorbereitet, so Kleindienst. „Der Umgang mit gesetzlichen Änderungen ist grundsätzlich nichts Neues für uns. Die erste Stufe zum 1. Januar haben die Kolleginnen und Kollegen gut gemeistert. Auch für die zweite Stufe zum 1. Juli wurden die Mitarbeitenden wieder unterstützt.“
Das kann Eugen Schalk, stellvertretender Geschäftsführer des Jobcenters der Stadt Ansbach, bestätigen. „Aufgrund der langjährigen Erfahrung zum Thema Weiterbildung verfügen die Jobcenter und ihre Mitarbeiter über fundiertes Fachwissen“, sagt Schalk. Dieses sei durch fachliche Weisungen, Fachpräsentationen und Fortbildungen zur zweiten Stufe der Bürgergeldreform erweitert worden. „In der Praxis konnten wir feststellen, dass das Weiterbildungsgeld und der Bürgergeldbonus die Jobcenter-Kunden durchaus zur Qualifizierung motivieren“, sagt Schalk.
Auch die Pressestelle der zwölf Berliner Jobcenter befürwortet die Neuerungen. „Wir begrüßen die Entbürokratisierung der persönlichen Beratung“, teilte Pressesprecher Jens Krüger mit. Die Beschäftigten in den Jobcentern hätten genug Zeit gehabt, sich auf die zweite Reformstufe vorzubereiten. „Die Jobcenter fühlen sich durch die zusätzlichen Aufgaben nicht überfordert“, betont der Sprecher.
Auch nach dem Eindruck des Sozialversicherungsexperten der Gewerkschaft ver.di, Markus Nöthen, sind die Beschäftigten ausreichend qualifiziert worden. Nichtsdestotrotz sei die andere Herangehensweise, also der „Kulturwandel“ für einige Jobcenter und ihre Beschäftigten, die bisher vermehrt mit Sanktionen gearbeitet haben, eine Umstellung.
Allerdings komme auf die Jobcenter eine andere Herausforderung zu: die Folgen der Etatkürzungen ab 2024. „Mit den geplanten Ausgabemitteln des Bundes für die Jobcenter von 9,85 Milliarden Euro für 2024 liegen wir um 700 Millionen Euro niedriger als im Vorjahr“, kritisiert Kleindienst. Das seien fast sieben Prozent weniger. Allein die Tariferhöhungen im kommenden Jahr würden zu Mehrkosten von 300 Millionen Euro führen.