Berlin (epd). Zum 175. Jubiläum der Diakonie Deutschland hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Bedeutung eines starken Sozialstaats betont. Er sichere Zusammenhalt, „gerade in schwierigen Zeiten wie diesen“, sagte er am 22. September bei einer Festveranstaltung in Berlin vor 350 Gästen aus Politik und Gesellschaft. Dies gelte auch für die derzeitigen Veränderungen hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Ihm sei wichtig, „dass es Sicherheit im Wandel gibt“, sagte Scholz. Dazu leisteten die Diakonie und andere Wohlfahrtverbände mit ihren Angeboten einen entscheidenden Beitrag.
Scholz ging auch auf die bevorstehenden Beschlüsse zur Einführung einer Kindergrundsicherung ein. Sie sei ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Kinderarmut. Gerade Kinder bräuchten die Hoffnung, dass sie eine gute Zukunft haben, sagte Scholz. Dies könne man nicht per Gesetz verordnen. „Aber wir können die Voraussetzungen dafür schaffen - und die geplante Kindergrundsicherung ist dafür ein wichtiger Fortschritt“, betonte Scholz.
Die Kindergrundsicherung soll Leistungen für Kinder in armen Familien zusammenführen. Eingeführt werden soll die Kindergrundsicherung 2025.
Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, sagte, genau wie zur Gründungszeit der Diakonie seien auch die gegenwärtigen Herausforderungen in der „Zeitenwende“ nur im Miteinander von Politik und Zivilgesellschaft zu bewältigen. Die Diakonie wolle dazu ihren Beitrag leisten. Lilie sagte, viele Menschen seien demokratiemüde und erschöpft von Krisen und ständigem Wandel. Es gebe aber auch viele, die sich engagierten und etwas Sinnvolles für die Gesellschaft und die Menschen tun wollten.
Der Diakonie-Chef nannte insbesondere die Freiwilligendienste und bat den Bundeskanzler, „sich persönlich dafür einsetzen, dass es zu einer deutlichen Korrektur dieses überhaupt nicht einsichtigen und noch weniger weitsichtigen Kürzungsbeschlusses kommt“. Die Ampelkoalition will die Bundeszuschüsse zu den Freiwilligendiensten stark kürzen, um die Schuldenbremse einzuhalten. Der Diakonie zufolge würde das zum Wegfall von einem Viertel der rund 100.000 Stellen pro Jahrgang führen.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sagte bei dem Festakt, alle, die sich gegenwärtig darum mühten, den demokratischen Zusammenhalt zu sichern und zu stärken, „sollen und müssen wissen - und zwar ohne den Hauch eines Zweifels -, dass Kirche und Diakonie dabei sind“. Sie betonte, dass soziale Gerechtigkeit eine Voraussetzung für Freiheit sei. „Freiheit ist keine Freiheit, wenn die sozialen Fragen nicht gelöst sind“, sagte die westfälische Präses.
Als Geburtsstunde der modernen Diakonie gilt die Brandrede des Hamburger Theologen Johann Hinrich Wichern am 22. September 1848 auf dem Evangelischen Kirchentag in Wittenberg. Wichern kritisierte die Untätigkeit seiner Kirche angesichts der Verelendung großer Teile der Bevölkerung im Zuge der Industrialisierung und forderte ein Netzwerk der „rettenden Liebe“. Ein Jahr später begann der Central-Ausschuss für die Innere Mission der evangelischen Kirche die Hilfsangebote zu koordinieren und auszubauen.
Heute arbeiten nach Angaben des Verbandes bundesweit mehr als 627.000 Menschen für die Diakonie. Der evangelische Verband gehört damit zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Zu den rund 33.400 Einrichtungen zählen Krankenhäuser, Pflegedienste, Kindergärten oder Anlaufstellen für Obdachlose und Geflüchtete. Mehr als zehn Millionen Menschen nehmen jährlich die Dienste in Anspruch, rund 700.000 Ehrenamtliche unterstützen die Arbeit.