sozial-Recht

Sozialgericht

Volljährig gewordene Kinder können weiter "hilflos" sein



München (epd). Allein wegen des Erreichens der Volljährigkeit kann eine schwerbehinderte Person nicht das Merkzeichen H für Hilflosigkeit verlieren. Vielmehr muss im konkreten Einzelfall immer geprüft werden, ob die Voraussetzungen für das Merkzeichen H weiter bestehen, entschied das Sozialgericht München in einem am 11. September veröffentlichten Urteil. Dabei könne Hilflosigkeit auch ohne körperliche Einschränkungen vorliegen, wie etwa im Streitfall bei dem autistischen Kläger.

Frühkindlicher Autismus

Bei dem 1994 geborenen Kläger wurde ein frühkindlicher Autismus diagnostiziert. Es bestanden zudem eine Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung sowie eine motorische Entwicklungsstörung. 2007 wurde bei ihm ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Ihm wurden zudem die Merkzeichen B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson), G (Beeinträchtigung beim Gehen) und H (Hilflosigkeit) zuerkannt. Mit dem Merkzeichen H konnte der Kläger kostenfrei den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Ein gesonderter Steuerfreibetrag konnte ebenfalls beansprucht werden.

Das Versorgungsamt bestätigte 2020 die Merkzeichen, mit Ausnahme des Merkzeichens H. Dieses werde bei frühkindlichem Autismus ohnehin nur bis zur Volljährigkeit vergeben, weil in der Regel bis dahin der Reifeprozess zu einer ausreichenden Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit führe.

Ohne Erfolg verwies der junge Mann auf seinen weiterhin bestehenden zeitintensiven Hilfe- und Betreuungsbedarf. Seine Klage hatte vor dem Sozialgericht nun Erfolg. Die sogenannten Nachteilsausgleiche wie hier das Merkzeichen H dürften nur nach einer Einzelfallprüfung entzogen werden, urteilte das Gericht. Ein Stichtag wie die Volljährigkeit dürfe nicht zu einem automatischen Entzug des Merkzeichens führen. Er könne nur Anlass für eine Prüfung sein, ob die Voraussetzungen weiter erfüllt sind.

Hier lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen H auch weiter vor. So zeige der Kläger nach den jüngsten Pflegegutachten unter anderem kaum Eigenantrieb. Er habe Probleme bei der Impulskontrolle. Bei vielen Alltagsverrichtungen benötige er eine Ermahnung, Anleitung und Kontrolle.

Az.: S 48 SB 1230/20