Celle, Delmenhorst (epd). Entschädigungszahlungen für Hinterbliebene von Opfern des Patientenmörders Niels Högel verjähren einem Gerichtsurteil zufolge grundsätzlich nach vier Jahren. Berufsgenossenschaften müssen über diese Frist hinaus keine Leistungen wie etwa eine Rente an die Hinterbliebenen zahlen, teilte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen am 18. September in Celle mit. Mit diesem Urteil wies das Gericht die Klage der Tochter eines Högel-Opfers ab, ließ aber die Revision zu. Eine Klärung des Bundessozialgerichts sei sinnvoll, weil aufgrund der Vielzahl von Opfern weitere Verfahren zu erwarten seien.
Der Vater der Klägerin war den Angaben zufolge im August 2003 wegen eines Herzinfarktes im Krankenhaus in Delmenhorst behandelt worden. Dort habe er von dem Krankenhauspfleger Niels Högel ein Medikament erhalten, das zu einer reanimationspflichtigen Notsituation geführt habe, in deren Folge der Mann gestorben sei. Dieser Zusammenhang wurde allerdings erst Ende 2014 im Zuge eines Prozesses gegen Högel bekannt.
Die Berufsgenossenschaft gewährte die Hinterbliebenenrente für die mittlerweile gestorbene Ehefrau des Opfers von diesem Zeitpunkt an rückwirkend bis zum 1. Januar 2010. Laut Sozialgesetzbuch verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind.
Die Tochter verlangte jedoch eine Rentenzahlung für ihre Mutter rückwirkend bis zum Tod ihres Vaters im August 2003. Sie argumentierte, es dürfe nicht zulasten des Einzelnen gehen, wenn Schadensgroßereignisse nicht zeitnah aufgeklärt werden könnten.
Das Gericht urteilte, der Berufsgenossenschaft seien keine Fehler unterlaufen. Sie habe erst im November 2014 durch Medienberichte von den mehr als zehn Jahre zurückliegenden Vorgängen erfahren. Zum selben Zeitpunkt habe auch die Tochter die Staatsanwaltschaft darüber informiert, dass der Tod ihres Vaters für sie damals sehr überraschend war. Die Genossenschaft hatte entschieden, zur Ermittlung potenzieller Opfer zunächst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abzuwarten.
Högel war 2019 wegen 85-fachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte Patienten mit Medikamenten vergiftet, um sie anschließend reanimieren zu können. Högel war zunächst in Oldenburg, später am Delmenhorster Krankenhaus beschäftigt.
Az.: L 14 U 117/22