Berlin (epd). Die Anfänge protestantischer sozialer Arbeit reichen zurück in die Zeit der Frühindustrialisierung ab 1810. Arbeitslosigkeit, Invalidität und Krankheit führten zu massenhafter Verelendung, die von der althergebrachten Armenpflege der Kirchen nicht mehr zu bewältigen war. In der Folge entstanden die ersten Einrichtungen der Inneren Mission, dem Vorläufer der heutigen Diakonie, die die Armenpflege als „freie Liebestätigkeit“ in Vereinen, Genossenschaften, Stiftungen und selbstständigen Einrichtungen organisierte.
Beim ersten Evangelischen Kirchentag in Wittenberg im September 1848 stellte der Hamburger Pfarrer und Anstaltsleiter des „Rauhen Hauses“, Johann Hinrich Wichern, die Bedeutung der Inneren Mission als neuartiges Netzwerk protestantischer Sozial- und Kulturarbeit heraus. Er regte die Gründung eines Gremiums an, um das Nebeneinander zahlreicher christlicher Initiativen und Vereine zugunsten einer überregionalen protestantischen Hilfsorganisation zu überwinden - die Geburtsstunde des 1849 gegründeten Central-Ausschusses für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche (C.A.) als ausbaufähige Organisationsform der diakonischen Bewegung.
Der C.A. diente der Koordinierung der vielen rechtlich selbstständigen sozialpädagogischen, fürsorgerischen und pflegerischen Heime, Anstalten und Einrichtungen. Und er unterhielt Kontakte zu Regierungen, Magistraten und Parlamenten sowie zu anderen Wohlfahrtsorganisationen. Die Träger waren durch die Mitgliedschaft in dem als Verein angelegten C.A. locker miteinander verbunden. Die diakonische Arbeit vor Ort leisteten Einrichtungen wie Bethel in Westfalen, Stetten in Württemberg, Neuendettelsau in Bayern, Kreuznach im Rheinland, Moritzburg bei Dresden oder Hephata/Treysa in Hessen.
Im Kaiserreich wandte sich der C.A. neuen Arbeitsfeldern wie der Behindertenfürsorge, der Wandererfürsorge sowie der Jugend- und Erziehungsfürsorge zu. Seit den 1870er Jahren entstand die Stadtmission, die am Ende des Kaiserreichs nahezu in jeder deutschen Stadt zu finden war.
Das duale System sozialer Sicherung aus öffentlicher und gemeinnütziger Hilfe wurde in der Weimarer Republik zum zentralen Strukturprinzip öffentlicher Fürsorge. In der Weltwirtschaftskrise geriet der Sozialstaat unter Druck. Angebote der Wohlfahrtspflege - und auch die Kosten dafür - wurden zunehmend infrage gestellt. Die Innere Mission folgte, wenn auch oft nur unter Druck, im NS-System den neuen, autoritären Vorstellungen von Fürsorge. Das christliche System der Nächstenliebe versagte: Zehntausende von Patientinnen und Patienten in den Einrichtungen wurden deportiert, zwangssterilisiert oder gar ermordet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1945 das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland gegründet. Es verteilte zunächst Hilfssendungen, die von Partnerkirchen im Ausland ins darbende Deutschland kamen. Kriegsheimkehrer, Vertriebene und Flüchtlinge wurden in Lagern betreut und bei ihrer Integration unterstützt. 1957 schlossen sich der Central-Ausschuss und das Hilfswerk unter dem Namen „Innere Mission und Hilfswerk der EKD“ zusammen. Durch die Gründung des „Diakonischen Werkes der EKD“ im Jahre 1975 wurde das Hilfswerk formal aufgelöst.
Trotz erheblicher staatlicher Beschränkungen konnte die Diakonie auch in der DDR wirken. Sie muss ihre Tätigkeit aber auf die Pflege kranker und behinderter Menschen konzentrieren. Seit 1991 sind ost- und westdeutsche Diakonie organisatorisch wieder vereint. 2012 fusionierte das Diakonische Werk mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst zum Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung. Internationale Entwicklungsarbeit und die nationale diakonische Arbeit wurden enger miteinander verzahnt.
Rund 600.000 hauptamtlich Mitarbeitende sind in Voll- und in Teilzeit in rund 5.000 diakonischen Unternehmen beschäftigt. Zur Diakonie gehören etwa 33.000 stationäre und ambulante Dienste wie Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Sozialstationen, Wohngruppen oder Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Angebote für Suchtkranke und Obdachlose oder Beratungsstellen.