sozial-Recht

Gerichtshof für Menschenrechte

Leihmutterschaft: Nicht-Übertragen von Urkunde verletzt Kindesrecht



Straßburg (epd). Mit der Nicht-Übertragung der Geburtsurkunde eines im Ausland durch Leihmutterschaft geborenen Kindes hat Italien dessen Recht auf Privat- und Familienleben verletzt. In seinem am 31. August in Straßburg gefällten Urteil bemängelte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass die Entscheidung der italienischen Behörden nicht ausreichend auf das Kindeswohl ausgerichtet gewesen sei. Das Interesse des Kindes, eine festgestellte und anerkannte Abstammung zu haben, sei nicht geachtet worden.

Das heute vierjährige Kind wurde in der Ukraine geboren, wo ihm auch eine Geburtsurkunde ausgestellt wurde. Der italienische Wunschvater ist gleichzeitig der Samenspender, während die Eizelle von einer anonymen Spenderin kam. Die Eltern wollten die ukrainische Geburtsurkunde, in die sie eingetragen waren, in eine italienische Urkunde übertragen lassen, um die rechtliche Verbindung zwischen ihnen und dem Kind in dem Land herzustellen, in dem sie leben.

Italienische Behörden stellten sich quer

Die italienischen Behörden hatten die Übertragung verweigert, da das Landesrecht Leihmutterschaft verbietet und als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung betrachtet. Auch die Vaterschaft des Samenspenders und Wunschvaters wurde nicht anerkannt, alle Klagen und Berufungen der Eltern blieben erfolglos. Das Kind hat damit keine festgestellte Abstammung und wird infolgedessen in Italien als staatenlos betrachtet.

Die Eltern klagten nun im Namen ihres Kindes vor dem EGMR. Die Staatenlosigkeit setze das Kind einer hohen Rechtsunsicherheit aus, hieß es in der Klage. Die Eltern könnten das Verwandtschaftsverhältnis nicht nachweisen, zudem werde das Sozialleben stark eingeschränkt.

Das vierjährige Kind werde seit Geburt in einem Zustand anhaltender Ungewissheit über seine persönliche Identität gehalten, urteilte der EGMR. Das Gericht bestätigte zwar die Verletzung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens, jedoch lediglich in Bezug auf die Eintragung der Vaterschaft. Hinsichtlich der Wunschmutter befand der EGMR das Recht aber als unverletzt. Ihr stünde der Weg einer Adoption offen. Der Gerichtshof sprach den Klägern eine Entschädigung von 15.000 Euro zuzüglich der Verfahrenskosten zu.

Az.: 47196/21