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Diakonie

"Wohnungslose nicht aus Bahnhofsbereich vertreiben"



Alkohol- und Drogenkonsumierende prägen das Bild um den Hamburger Hauptbahnhof. In der Politik werden Alkoholverbotszonen und Trinkerräume diskutiert. Der Diakonie ist dagegen wichtig, dass keine Wohnungslosen vertrieben werden.

Hamburg (epd). Die Diakonie Hamburg lehnt eine Vertreibung von wohnungslosen Menschen ab. Ein Alkoholverbot in Bereichen rund um den Hauptbahnhof sieht sie auch vor diesem Hintergrund kritisch. Sogenannte Trinkerräume, in denen der Konsum von Alkohol erlaubt ist, könnten unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sein, auch sie dürften aber keine Vertreibungen zum Ziel haben, sagte Stephan Nagel, bei der Diakonie zuständig für die Themen Wohnungslosen-, Suchtkrankenhilfe und Armut, auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Die Innenbehörde plant für kommendes Jahr die Einführung von Alkoholverbotszonen in speziellen Bereichen rund um den Hauptbahnhof. Für die Einrichtung von Trinkerräumen in Bahnhofsnähe als Ergänzung zur Drogenberatungsstelle „Drob Inn“ sprach sich Jennifer Jasberg, Co-Vorsitzende der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, aus. Andere Städte hätten mit der Bereitstellung von Trinkerräumen gute Erfahrungen gemacht, sagte sie in einem Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR).

„Starke Grundrechtseinschränkung“

„Alkoholverbote stellen starke Grundrechtseinschränkungen dar, die rechtlich kaum zu begründen sind, denn das Grundgesetz lässt Freiheitsbeschränkungen nur zu, wenn eine sachliche Rechtfertigung - zum Beispiel durch Gefahren - besteht und Maßnahmen verhältnismäßig sind“, kritisiert dagegen Nagel. Die Einrichtung eines Trinkraumes in Hauptbahnhofsnähe könne die Einführung eines Alkoholverbots „weder rechtfertigen noch die negativen Folgen eines Alkoholverbots für die Betroffenen kompensieren“.

Trinkräume könnten nur einen Beitrag zum niedrigschwelligen Suchthilfeansatz leisten, sofern stimmige Konzepte für die jeweilige Situation im Stadtteil vorlägen, sagte Nagel von der Diakonie. Außerdem müsse sichergestellt sein, „dass weder eine offene noch eine verdeckte Vertreibung von Straßenszenen damit unterstützt wird“. Die Nutzung müsse zudem „strikt freiwillig“ sein.

Betroffene trinken dann woanders

Indem das Trinken in bestimmten Bereichen rund um den Bahnhof verboten werde, würden ja die Menschen „nicht verschwinden“, sagte Grünen-Politikerin Jasberg. Sie würden „weiterhin da sein und wahrscheinlich auch konsumieren“.

Ebenfalls in einem NDR-Interview sprach sich FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels für eine Verlagerung der Drogenberatungsstelle „Drob Inn“ in einen anderen Hamburger Stadtteil aus. Die Lage am Hauptbahnhof habe sich zugespitzt, man müsse „diese Risikofaktoren, die Drogenszene auf der einen und die Kriminalität auf der anderen Seite, nicht zu sehr auf dieses Areal konzentrieren“, sagte sie dem NDR.

Experte: Trinkräume lösen die Konflikte nicht

Bereits am 17. März hieß es in einer Senatsantwort auf eine Anfrage der Abgeordneten Deniz Celik und Stephanie Rose (beide Linke), die Polizei reagiere seit dem vierten Quartal 2022 „auf ein erhöhtes Hinweis- und Beschwerdeaufkommen von Bürgern, Handeltreibenden und Wirtschaftsverbänden“. Darin sei insbesondere von Begleiterscheinungen der Obdachlosigkeit in der Innenstadt die Rede, wie einem erhöhten Aufkommen an Unrat und Exkrementen sowie Personen, die erheblich alkoholisiert wirkten.

Dass diese Konflikte im öffentlichen Raum mit Trinkräumen vorbei sind, glaubt der Diakonie-Experte nicht. Nagel: „Die Konflikte würden sich vielleicht ein wenig entspannen, lösen lassen sie sich hierdurch nicht“. Der „richtige Kurs“ für die Politik in Hamburg sei „eine soziale Politik, die auf Unterstützung, Zugang zu Grundsicherungs- und medizinischen Leistungen sowie Vermittlungen in Wohnungen setzt“.

Marcel Maack