sozial-Politik

Bundesregierung

Kommission empfiehlt weitere Anhebung des Pflegemindestlohns




Blutzuckermessung im Pflegeheim
epd-bild/Jürgen Blume
In der Altenpflegebranche sollen die Mindestlöhne für Hilfskräfte und Fachpersonal weiter steigen. Arbeitsminister Heil will die Empfehlungen der Pflegekommission für die kommenden beiden Jahre umsetzen. Das Echo auf die Pläne fällt unterschiedlich aus.

Berlin (epd). Die Mindestlöhne in der Altenpflegebranche sollen in zwei Schritten um rund zwei Euro pro Stunde steigen. Darauf hat sich die Pflegekommission geeinigt, wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am 29. August in Berlin mitteilten. Der Mindest-Stundenlohn für Pflegehilfskräfte soll demnach in der zweiten Jahreshälfte 2025 auf 16,10 Euro steigen, der Lohn für qualifizierte Hilfskräfte 17,35 Euro betragen und für Pflegefachkräfte 20,50 Euro pro Stunde.

Die Branche begrüßte die Einigung. Die Kommission hat sich für eine Laufzeit der Vereinbarung bis Ende Juni 2026 ausgesprochen.

Heil: Mindestlöhne steigen innerhalb von zwei Jahren um 14 Prozent

Heil sagte, Pflegekräfte leisteten Unglaubliches. Pflegerinnen und Pfleger müssten anständig bezahlt werden, das helfe auch gegen den Fachkräftemangel in der Branche. Er werde die Empfehlungen umsetzen, kündigte der Minister an. Insgesamt steigen die Mindestlöhne von 2024 bis 2026 um 14 Prozent.

In der Altenpflege gibt es drei unterschiedliche Mindestlöhne für ungelernte und ausgebildete Assistenzkräfte sowie für die Fachkräfte. Sie werden vom Arbeitsministerium festgesetzt. Es richtet sich dabei nach den Beschlüssen der achtköpfigen, von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite paritätisch besetzten Pflegekommission, der Vertreterinnen und Vertreter der kirchlichen, gemeinnützigen und privaten Pflegeeinrichtungen angehören. Die jüngste Empfehlung wurde einstimmig getroffen.

Die Arbeitgeberseite in der Kommission begrüßte die lange Laufzeit, die den Einrichtungen Planungssicherheit gebe, so der Sprecher der Caritas-Dienstgeber, Norbert Altmann. Er nahm zugleich die Politik in die Pflicht, weil ein höherer Pflegemindestlohn auch eine höhere Zuzahlung für Pflegeheimbewohner bedeute. „Die steigenden Zuzahlungen würden für viele schwer zu stemmen sein. Deshalb ist es unumgänglich, dass die Bundesgesundheitsministerium eine Lösung herbeiführen“, sagte Altmann. Das sei zum einen wichtig zur Entlastung der zu Pflegenden, zum anderen genauso für die Arbeitgeber. Denn es gilt, drohende Insolvenzen abzuwenden, auch im Bereich der Altenhilfe."

Sprecher der Mitarbeiter: Noch nicht der große Wurf

Dagegen sagte Thomas Rühl, Sprecher der Caritas Mitarbeiterseite, es sei gut, dass der Pflegemindestlohn weiter steige. Das schütze vor Lohndumping im Markt, „ist aber noch nicht der große Wurf. Wir müssen den Beruf für neue und ehemalige Pflegekräfte deutlich attraktiver machen. Hier helfen nur starke Flächentarife und eine Zusage der Politik, die Finanzierung der Pflegeversicherung endlich und dauerhaft zu sichern.“

Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der privaten Pflegeanbieter (bpa). Dessen Präsident Bernd Meurer kommentierte: „Der nun vorgeschlagene Pflegemindestlohn für ungelernte Kräfte liegt erneut drei Euro über dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Wir unterstreichen noch einmal, dass der Pflegeberuf finanziell attraktiv ist und es bleiben wird.“ Die damit verbundene Zumutung für die Einrichtungen und Pflegebedürftigen bleibe ein Wehrmutstropfen.

Appell: Steuerzuschüsse für die Pflege nicht streichen

Für die Arbeitnehmerseite erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Silvia Bühler, die anhaltend hohen Preissteigerungen machten eine deutliche Anhebung notwendig. Gemeinsam warnten die Verbände aber auch, die Kosten dürften nicht allein bei den Pflegebedürftigen abgeladen werden. Sie forderten Gesundheitsminister Lauterbach auf, die Pflegeversicherung zu stärken, statt Steuerzuschüsse zu streichen, wie es für das kommende Jahr geplant ist.

Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) lehnte die Ergebnisse der Pflegekommission als einseitig ab. Die Vereinbarung belaste Pflegebedürftige finanziell und gefährde deren Versorgung, sagte AGVP-Präsident Thomas Greiner: „Deutschland braucht eine gute Altenpflege, und die gibt es nicht ohne gut bezahlte Pflegekräfte. Was Politik und Gewerkschaften aber nicht erkennen oder bewusst ignorieren: Es gibt keine gute Altenpflege, wenn sie für die Pflegebedürftigen unbezahlbar ist oder Pflegeeinrichtungen unter einer Insolvenz- und Schließungswelle begraben werden.“ Die Belange der Pflegebedürftigen dürfe man in der Pflegekommission nicht ignorieren, nur weil sie nicht mit am Tisch sitzen.

Greiner fordert erneut einen „Pflegegipfel“

Greiner weiter: „Wir müssen uns zusammensetzen, um die Finanzierung der Altenpflege auf ein solides Fundament zu stellen und die Versorgung der Pflegebedürftigen widerstandsfähig abzusichern. Deshalb fordern wir einen Pflegegipfel.“

In der Altenpflegebranche arbeiten dem Arbeitsministerium zufolge rund 1,3 Millionen Beschäftigte, für die der Branchenmindestlohn gilt. Die derzeitigen Mindestlöhne von 13,90 Euro bis zu 17,65 Euro werden am 1. Dezember noch einmal auf 14,15 Euro, 15,25 Euro und 18,25 Euro angehoben und gelten dann bis Ende April 2024. Im Mai folgt die erste Stufe der jetzt vereinbarten Erhöhung. Pflegekräfte in Privathaushalten fallen unter den gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde.

Bettina Markmeyer, Dirk Baas