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Behinderung

Modisch im Rollstuhl




Models in inklusiven Kleidungsstücken
epd-bild/Phantastischer Realismus Photographie
Diversity ist der Begriff der Stunde, auch in der Mode. Aber modische Kleidung für Leute mit körperlichen Beeinträchtigungen ist rar. Anna Franken, Designerin im Rollstuhl, sagt: Wir müssen immer noch darum kämpfen, uns schön und weiblich zu fühlen.

Frankfurt a. M. (epd). Anna „Fee“ Franken trägt ein türkisfarbenes Kleid. Mit schwarzen Streifen, buntem Blumen- und Vogel-Print, V-Ausschnitt. Darunter verläuft ein langer Reißverschluss mit großem, rundem Zipper zum leichten Öffnen. Das ist praktisch, vor allem für Menschen wie Franken, die Rollstuhlfahrerin ist. Seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt die 28-jährige Bitburgerin und studierte Modedesignerin mit einer neuromuskulären Erkrankung. Das heißt, ihre Muskeln werden schwächer. Inzwischen kann sie nicht mehr laufen, ihre Finger nicht mehr bewegen, ist oft auf Hilfe angewiesen.

Vor zwei Jahren gründete Franken ein Label für inklusive Mode: „Wundersee Fashion“. Das heißt, sie entwirft Mode für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. „Mich hat es gestört, dass inklusive Mode nie besonders weiblich war“, erinnert sich die junge Gründerin. Gerade im Rollstuhl sähen viele Kleidungsstücke unvorteilhaft aus.

Reißverschlüsse, Greifhilfen und Magnetverschlüsse

Anna Frankens Kollektionen sind mit vielen Reißverschlüssen versehen, es gibt Greifhilfen, Magnet-Verschlüsse. Die Designerin setzt auf dehnbare Stoffe. Ihre Kundinnen sind hauptsächlich Rollstuhlfahrerinnen im Alter von 16 bis 65 Jahren, wie sie erzählt. Aktuell manage sie noch alles selbst - außer die Produktion, bei der ihr eine nachhaltige Anfertigung innerhalb Deutschlands wichtig sei.

Inklusive oder auch adaptive Mode ist ein Markt: Längst haben Unternehmen wie Tommy Hilfiger, Nike und die Online-Plattform Zalando den Geschäftszweig für sich entdeckt. Seit einigen Jahren kommen außerdem Firmen dazu, die sich vollständig auf inklusive Mode konzentrieren, wie „mob-industries“ aus Österreich und das spanische Label „FreeFormStyle“, das seine Kollektion auf der diesjährigen Fashion Week in Barcelona präsentierte. „Auf Augenhöhe“ ist ein Label, bei dem nach eigenen Angaben ein Team aus Nicht-Kleinwüchsigen und kleinwüchsigen Menschen rund um Gründerin Sema Gedik Mode für kleinwüchsige Frauen konzipiert.

Nach Statistiken der Europäischen Kommission lebten im vergangenen Jahr etwa 87 Millionen Menschen innerhalb der EU mit einer Form von Behinderung - alles potenzielle Kundinnen und Kunden für adaptive Mode. Auf Instagram zeigen schon lange Frauen mit Behinderung ihre Outfits, wie die Rollstuhlfahrerinnen Tess Daly und „rockahontaz“. Einer weiteren Influencerin, April Lockhart, fehlt eine Hand. 58.000 Followerinnen und Follower lassen sich von ihrem Stil inspirieren.

Inklusion in der Branche: Läden müssen barrierefrei sein

Trotzdem gibt es noch viel zu tun in Sachen Inklusion, findet Anna Flemmer. Die Modedesignerin aus Berlin entwirft ebenfalls barrierefreie Mode, besonders für Menschen mit Sehbehinderung. Darüber hinaus berät Flemmer Modeunternehmen bei der Frage, wie sie ganzheitlich inklusiver werden können. Die Anfragen seien noch zurückhaltend, berichtet die 34-Jährige. Einige Labels würden Inklusion zudem als reines Marketing-Instrument nutzen, kritisiert sie.

Inklusion in der Modebranche gehe über die Kleidung hinaus. Auch die Läden müssten barrierefrei sein. Das bedeute nicht, fernab vom Haupteingang eine Rampe für Rollstuhlfahrende bereitzustellen, betont Flemmer. So fühlten sich Menschen ausgeschlossen. Auch die Etiketten auf der Kleidung müssten für jede und jeden gut lesbar sein. Oft seien die Schilder völlig überfrachtet, die Schrift viel zu klein. Wichtig außerdem: Die Firmen sollten Menschen mit Behinderung ins Team holen, fordert sie.

„Menschen mit Behinderung sind kaum sichtbar“, kritisiert Flemmer und ergänzt noch: „Viele von ihnen legen großen Wert auf Mode, aber finden sich nicht wieder.“ Beide Designerinnen, Anna Franken und Anna Flemmer, sehen nach wie vor das Problem der Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung. Für TV-Formate wie „Germanys next Topmodel“, bei der Gastgeberin Heidi Klum seit Jahren „Diversity“ predige, sei es nach Ansicht von „Wundersee Fashion“-Chefin Franken immer noch undenkbar, dass etwa eine Teilnehmerin im Rollstuhl dabei wäre. „Wir müssen immer noch darum kämpfen, uns schön und weiblich zu fühlen“, sagt sie. „Funktionale und modische Kleidung dürfen sich nicht ausschließen.“

Carina Dobra