Verden/Osnabrück (epd). Als der Anruf von der Arztpraxis kam, ahnte sie schon Schlimmes. Sie solle rasch zum persönlichen Gespräch mit der Hautärztin kommen, hieß es. Das war vor neun Jahren. Damals erhielt Solveig Schnaudt, Bauingenieurin aus Verden bei Bremen, im Alter von 51 Jahren eine Diagnose, die ihr Leben von Grund auf verändern sollte: Auf ihrer Haut hatte sich ein aggressiver Tumor gebildet, drei Millimeter groß, ein malignes Melanom, bekannt als schwarzer Hautkrebs. „Für mich brach die Welt zusammen“, erinnert sie sich heute. „Das erste, was ich gedacht habe, war: Ich möchte noch erleben, dass meine Kinder erwachsen werden.“
Der Tumor, das war ein schwarzer Fleck am Oberschenkel, der aussah wie ein Muttermal. Die Ärzte schnitten ihn weg. Doch die Angst blieb. Denn bei Solveig Schnaudt wurden Erinnerungen wach an eine Freundin, die vor 40 Jahren eine ähnliche Diagnose erhalten hatte und mit 21 Jahren starb. „Ich sehe noch ihr Gesicht vor mir.“ Heute wird schwarzer Hautkrebs in Deutschland immer häufiger festgestellt: 2021 gab es nach Zahlen der Deutschen Krebshilfe 41.360 maligne Melanome. 2023 werden es nach einer Prognose rund 42.300 sein.
Bei der Ursache der Erkrankung sind sich die Mediziner einig: Sie wird durch häufige Sonnenbrände ausgelöst, auch eine erbliche Veranlagung spielt eine Rolle. Als besonders gefährlich gelten Sonnenbrände in der frühen Kindheit, wenn die Haut noch nicht voll ausgebildet und äußerst empfindlich ist. Kinder und Erwachsene sollten sich daher unbedingt vor starker Sonnenstrahlung schützen, rät der Dermatologe Professor Christoph Skudlik von der Universität Osnabrück: „Ultraviolettes Licht hat eine hoch krebserregende Wirkung.“
Skudlik hält es daher für keine gute Idee, wenn etwa Urlauber am Strand mittags in der Sonne braten und dabei eine Rötung ihrer Haut riskieren. „Durch die UV-Strahlen wird dann die Erbinformation unserer Hautzellen geschädigt.“ Zwar kann das Immunsystem diese Schäden reparieren. „Aber irgendwann kann es zu viel sein. Dann können Hautzellen entarten.“ Wer im Laufe seines Lebens sein „Hautkonto“ überziehe, dem präsentiere der Körper irgendwann die Rechnung, betont der Arzt.
Auch Solveig Schnaudt erinnert sich an viele Sonnenbrände in ihrer Jugend. „Ich bin immer aufgefordert worden: Du bist so blass, geh doch mal in die Sonne.“ Sie selbst habe eher den Schatten gesucht, aber ihre Mutter sei eine „Sonnenanbeterin“ gewesen: „Sie fand immer: Braun sieht gesund und schön aus.“
Das Schönheitsideal der Bräune: der Hautarzt Skudlik sieht es mit großer Skepsis. „Aus ärztlicher Sicht ist Bräune kein erstrebenswerter Zustand“, sagt er. „Weil es immer bedeutet: Die Haut hat sich gewehrt.“ Nach Angaben der Deutschen Krebshilfe ist das maligne Melanom bei Frauen zwischen 20 und 29 Jahren inzwischen die häufigste Art von Krebs. Experten führen dies auf häufiges Sonnen und Besuche im Solarium zurück.
Bei allen Gefahren gibt es beim Hautkrebs für die Betroffenen allerdings eine große Chance: Man kann ihn meistens sehen. „Wird ein Tumor frühzeitig erkannt, kann er mit vollständiger Heilung herausgeschnitten werden“, sagt Skudlik. Der Mediziner rät deshalb allen Menschen mit einem Hautkrebs-Risiko zu einem regelmäßigen Screening beim Hautarzt, der ein Melanom zuverlässig von einem harmlosen Muttermal unterscheiden kann.
Bei Solveig Schnaudt schien vier Jahre lang erst einmal alles gut zu sein, nachdem der Tumor entfernt worden war. Doch dann zeigten sich am Bein plötzlich kleine Knubbel unter der Haut. „Die wuchsen schnell heran, bis sie erbsengroß waren.“ Die Ärzte erkannten sofort: Es waren Metastasen. Wieder ein Schock, wieder Angst - doch Solveig Schnaudt hatte in einer Selbsthilfegruppe nun schon viele Therapiemöglichkeiten kennengelernt. „Ich habe einfach darauf vertraut, dass die Ärzte das in den Griff kriegen.“
Und so kam es. Denn auch für Menschen mit Hautkrebs-Metastasen sieht es inzwischen erheblich besser aus als noch vor zehn Jahren, weil die Krebsmedizin seither rapide Fortschritte gemacht hat. So sind jetzt Immuntherapien verfügbar, durch die sich die Chancen für die Patienten und Patientinnen deutlich verbessern. „Man kann es nicht bei jedem Patienten garantieren, aber man kann die Erkrankung kontrollieren“, sagt der Experte Skudlik.
Solveig Schnaudt nahm an einer Studie teil, mehrere Therapien wurden an- und wieder abgesetzt, bis die Ärzte die richtige Form der Behandlung für sie fanden. Und die Metastasen bildeten sich allmählich zurück. „Ich kann mit der Krankheit jetzt ganz gut leben“, sagt sie. Allerdings ist sie nicht mehr so stressresistent wie früher - eine Nebenwirkung der Medikamente. Zeitweise reduzierte sie deshalb ihre Arbeitszeit.
Viel Zeit steckt sie heute in die Selbsthilfearbeit. Und unermüdlich betont sie, wie wichtig die Prävention ist. „Damit andere Menschen nicht das noch einmal durchmachen müssen, was ich erlebt habe.“ Ihr Rat an alle Betroffenen: „Den Kopf nicht in den Sand stecken, den Mut nicht verlieren. Irgendwie gibt es immer eine Lösung.“