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Pflege

Diakonie verschafft Pflegenden eine Auszeit




Tanz-Nachmittag mit Demenzpatienten
epd-bild/Jörn Neumann
Nach der Diagnose "Demenz" lebt der Betroffene durchschnittlich noch zehn Jahre. In dieser Zeit benötigt er Betreuung, Aufsicht und zuweilen auch Pflege. Entlastungsangebote für Angehörige gibt es nur wenige, die Diakonie Karlsruhe bietet eines an.

Karlsruhe (epd). Die Betreuung Demenzkranker geht an die Substanz. Claudia Knörrle aus Karlsruhe macht diese Erfahrung seit drei Jahren, als bei ihrem Ehemann die Diagnose „frontotemporale Demenz“ gestellt wurde. „Es nimmt alles ab“, sagt sie. Ihr Mann kann nicht mehr sprechen, braucht Begleitung zur Toilette und muss gefüttert werden. Die Krankheit schreitet schnell voran. Einen Pflegedienst will Knörrle erst holen, „wenn er nicht mehr stehen kann“.

Auf sich allein gestellt

Nach Schätzung der Deutschen Alzheimer Gesellschaft leben in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Tendenz steigend. Pflegekräfte sind rar und teuer. Hilfskräfte über Onlineportale wie „betreut.de“ dürfen die Betroffenen aus rechtlichen Gründen nicht einmal zur Toilette begleiten.

Wie Knörrle sind viele Angehörige von demenziell erkrankten Menschen auf sich allein gestellt. Der Gesprächspartner fehlt. „Aufgrund der Erkrankung ist ein empathisches Miteinander nicht mehr möglich“, weiß Petra Nußbaum vom Diakonischen Werk Karlsruhe.

Unter dem Motto „Tapetenwechsel - Urlaub ohne Kofferpacken“ bietet der evangelische Wohlfahrtsverband seit 2021 Auszeiten für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen an. An zwei Wochenenden können sie im September im Waldzentrum im Hardtwald Pause machen und gemeinsam Kraft schöpfen. Es wird für sie gekocht, es gibt Singkreise, Gesprächsrunden und Gymnastikangebote.

Während Betreuerinnen des Diakonischen Werkes sich um die Demenzkranken kümmern, haben die Angehörigen auch Zeit für einen Austausch untereinander. „Das Wochenende ist eine mentale Unterstützung, nicht unbedingt eine konkrete Hilfe im Alltag“, erklärt Nußbaum. Entlastungsangebote wie diese gebe es zu wenig, sagt sie.

Freundschaften sind entstanden

Je nach Schweregrad der Erkrankung kämen auch die demenziell Erkrankten untereinander in Kontakt, sagt die Diakonin. Über Blickkontakt seien auch diejenigen „voll integriert“, die sprachlich eingeschränkt sind - wie der Mann von Claudia Knörrle.

Andere seien körperlich noch fitter und spielten Ball, sagt Nußbaum. Knörrle hat bereits zweimal am „Tapetenwechsel“ teilgenommen. Sie schätzt es, für zwei Tage von der unmittelbaren Verantwortung entbunden zu sein. Aus den Wochenenden hätten sich „nette Freundschaften mit anderen entwickelt“, berichtet sie.

Die Auszeit habe auch ihren Mann berührt. „Er spricht sehr auf Musik, das Singen und Lachen an“, berichtet Knörrle. Diese Anregungen fehlten im Alltag. „Wenn wir können, machen wir wieder beim 'Tapetenwechsel' mit“, sagt sie mit Blick auf den Herbst.

Susanne Lohse