Frankfurt a. M. (epd). Offene Lehrstellen gibt es derzeit noch viele. Vor allem Handwerksbetriebe haben Schwierigkeiten, Azubis zu finden. Das Metallverarbeitungsunternehmen Franz Hof im mittelhessischen Haiger hat damit allerdings kein Problem. Ausbildungsleiter Steffen Uhr sagt: „Für uns als Firma ist das im Moment nicht so schwer, weil wir in der Region einen guten Ruf als Arbeitgeber haben. Uns ist der Mensch sehr wichtig und wir wollen, dass unsere Mitarbeiter ihr Potenzial entfalten können.“
Ein freundlicher und wertschätzender Umgang untereinander sei dabei sehr wichtig. „Was bringen die besten Noten, wenn die Personen nicht bereit sind, sich in ihr Umfeld einzubringen und gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen am Erfolg der Firma zu arbeiten?“, fragt Uhr. Um die Azubis in der Berufsschule zu unterstützen, bietet die Firma Werksunterricht und Nachhilfe an. Tobias Keil, Azubi im ersten Lehrjahr, sagt: „Mir gefällt die Ausbildung bei der Firma Hof sehr gut.“
Auch der Gießener Handwerksbetrieb Hermann Luh GmbH, der sich auf Bodenbeläge spezialisiert hat, stellt Azubis ohne Blick auf ihre Schulnoten ein. Für Geschäftsführer Wilhelm Luh stehen charakterliche Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Teamfähigkeit im Vordergrund. „Wir stellen uns die Frage: Hat jemand Lust auf handwerkliches Arbeiten? Passt er ins Team?“, sagt der Bauingenieur.
Um das herauszufinden, lädt er die Bewerber zum Probearbeiten ein. „Ein Praktikum von mindestens drei Wochen ist bei uns zwingend erforderlich“, sagt Luh. Das sei sowohl für den Bewerber als auch für das Unternehmen von Vorteil. „Der Bewerber kann in Ruhe schauen, ob ihm der Beruf des Parkett- und Bodenlegers überhaupt gefällt. Er lernt seine zukünftigen Kollegen und das Arbeiten bei uns im Betrieb kennen“, erläutert Luh. Gleichzeitig kann der Chef den Bewerber auf Herz und Nieren testen. „Wir können danach beurteilen, ob er zu uns passt, ob er Talent für das Handwerk besitzt und ob er jeden Morgen pünktlich zur Arbeit kommt.“
Der Fachkräftemangel zieht sich durch alle Branchen und beginnt bereits an der Berufsschule. Nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) gibt es noch etwa 256.000 freie Ausbildungsplätze. Demgegenüber stehen rund 147.000 Bewerberinnen und Bewerber, die noch keine Stelle gefunden haben. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben, sagt: „Die Ausbildungssituation spitzt sich zuungunsten der Betriebe immer stärker zu.“
Arbeitsmarkt-Experte Clemens Wieland von der Bertelsmann Stiftung sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Auch junge Menschen mit schwächeren Schulleistungen können im Betrieb sehr gute Leistungen bringen. Und das Risiko ist geringer, dass sie nach der Ausbildung ein Studium aufnehmen und dem Betrieb wieder verloren gehen.“ Zudem gebe es eine Reihe von Unterstützungsangeboten während der Ausbildung sowohl für Betriebe als auch für Jugendliche wie etwa sozialpädagogische Begleitung. „Diese Angebote werden immer noch zu wenig in Anspruch genommen“, kritisiert Wieland.
Angebote wie Schnuppertage und Praktika seien gute Möglichkeiten, um jenseits der Schulnoten geeignete Bewerber zu finden. Wieland spricht hierbei von einem „Klebeeffekt“ - wenn auf ein Praktikum der Beginn der Lehre folge.
Das Nürnberger Unternehmen Schmitt + Sohn Aufzüge schreibt jährlich etwa 50 Ausbildungsplätze aus. „Eine Auswertung nach Schulabschluss nehmen wir nicht vor“, sagt Aniko Peiffer, Referentin für Unternehmenskommunikation. Die Zeugnisse nehme man nicht so wichtig, denn es gebe viele Situationen im Leben junger Menschen, die zu einem Leistungsabfall in der Schule führen könnten. „Für uns ist es wichtig, ob jemand ins Unternehmen passt, ob er oder sie Freude an der Arbeit hat und engagiert ist. In der Vergangenheit haben wir die Erfahrung gemacht, dass schlechte Schulnoten keine Auswirkung auf die Leistung im Beruf haben müssen.“