sozial-Branche

Behinderung

Gastbeitrag

Digitale Innovationen stärken Teilhabe und Versorgungssicherheit




Jan Schröder
epd-bild/Contec
Wie kann eine personenzentrierte und ambulante Leistungserbringung trotz des Fachkräftemangels gelingen? Große Potenziale kann hier die Digitalisierung bieten, schreibt Jan Schröder, Geschäftsfeldleiter Innovation und Vernetzung sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei der contec GmbH, in seinem Gastbeitrag für epd sozial. Er ist überzeugt: Die Digitalisierung kann personelle Ressourcen schonen, die Arbeitsbedingungen verbessern und Menschen mit Behinderungen empowern.

Wir leben in bewegten Zeiten - und das betrifft auch die Eingliederungshilfe. Auswirkungen des Fachkräftemangels, der Corona-Pandemie und sozialrechtliche Veränderungen stellen neue Anforderungen an die Branche. Dadurch ergeben sich viele Fragestellungen: Wie kann eine personenzentrierte und ambulante Leistungserbringung trotz des Fachkräftemangels gelingen? Und wie lassen sich die individuellen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen feststellen und Wirkungen dahingehend überprüfen?

Diese Fragen gilt es unter Nutzung von knappen Ressourcen zu bewältigen. Große Potenziale bietet in diesem Zusammenhang die Digitalisierung. Denn sie kann unter anderem personelle Ressourcen schonen, die Arbeitsbedingungen verbessern und Menschen mit Behinderungen empowern.

Digitale Innovationen können Personal entlasten

Damit stellen digitale Innovationen eine wichtige Chance für zukunftsfähige Versorgungsstrukturen dar. Tools der Künstlichen Intelligenz (KI) können Leitungskräfte bei der Dienstplanung entlasten und gesundheitsförderliche Einsatzpläne schaffen. Assistenzsysteme sind in der Lage, künftig an Arbeitsplätzen in Werkstätten Menschen mit Behinderungen eigenständig durch komplexe Tätigkeiten zu leiten. Diese digitalen Technologien können mehr Teilhabe und eine stärkere Autonomie von Menschen mit Behinderungen gewährleisten sowie personelle und zeitliche Ressourcen schonen.

Diese Potenziale sollte die Branche nutzen. Deshalb setzt das Innovationsnetzwerk Eingliederungshilfe.digital (INNET) genau dort an: Es treibt die Entwicklung digitaler Innovationen in der Eingliederungshilfe unter Nutzung kundenfokussierter Methoden und -prozesse voran. Wie funktioniert das?

Im INNET Kräfte bündeln

Im INNET schließen sich Träger aus der Eingliederungshilfe zusammen, um mit gebündelten Kräften den Einsatz von digitalen Technologien in der Branche aktiv zu gestalten. Die Einrichtungen aus ganz Deutschland - das Augustinuswerk, das Franz Sales Haus, die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg, das Stift Tilbeck, die wewole Stiftung, die Stiftung Pfennigparade und das Bathildisheim - legen dabei bewusst einen Fokus auf Vernetzung, Innovation und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.

Ich zitiere Christian Geyer, den Fachlicher Vorstand des Bathildisheim e. V. in Bad Arolsen: „Das INNET setzt sich für mehr Beteiligung im digitalen Raum ein. Digitale Teilhabe ist eine der sozialen Fragen unserer Zeit. Und in einem Netzwerk aus mehreren Akteuren ist es für uns Leistungserbringer deutlich einfacher, die Digitalisierung in der Eingliederungshilfe voranzubringen.“

Das offene Netzwerks setzt auf die Zusammenarbeit von Menschen mit Behinderungen, Fachkräften der Eingliederungshilfe, digital Affinen und sozial Engagierten. Regelmäßig trifft sich der Netzwerkkern, um sich über innovative Technologien, Entwicklungen in den eigenen Einrichtungen und die Verknüpfung der sozialen mit der digitalen Welt auszutauschen. Und auch externe Expertinnen und Experten aus der (digitalen) Praxis geben den Mitgliedern im Rahmen der Online-Treffen Inputs, aus denen sich oft wichtige Impulse für die eigene Weiterentwicklung ergeben.

In Workshops werden „Lösungs-Sprints“ getestet

Zudem testet das Netzwerk in Online-Workshops - sogenannten Lösungs-Sprints - den Einsatz von kundenfokussierten Methoden zur digitalen Lösungsentwicklung. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen steht dabei stets im Vordergrund. Im ersten Lösungs-Sprint berichteten Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen über ihren Arbeitsalltag in den Werkstätten und den bestehenden Problemen, die sie dort wahrnehmen. Gemeinsam mit verschiedenen Fachleuten setzten sie sich dann mit den identifizierten Problembereichen auseinander.

Auf dieser Basis wurden zwei App-Ideen entwickelt, die Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu einem selbstbestimmteren Arbeitsalltag verhelfen können. Die Apps sollen dabei unterstützen, eigene Wünsche und Ideen niedrigschwellig zu äußern und damit direkt Einfluss auf den eigenen Arbeitsalltag zu nehmen.

Lösungsorientiertes Arbeiten wird möglich

Der Lösungs-Sprint zeigt: Partizipative und innovative Vorgehensweisen zahlen sich aus. Denn im Laufe des Prozesses profitierten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Treffen von den unterschiedlichen Perspektiven auf Problembereiche - und ein produktives, lösungsorientiertes Arbeiten war möglich.

Die Einbindung verschiedener Experten soll also auch zukünftig im Fokus der INNET-Vorhaben stehen. Mit den verschiedenen Bausteinen leistet das Netzwerk seinen eigenen Beitrag auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Versorgungsstruktur in der Eingliederungshilfe. Ziel ist die Gestaltung eines neuen Miteinanders von digitalen Technologien, wie zum Beispiel KI und Robotik, Menschen mit Behinderungen und Leistungserbringern. Daran arbeitet das INNET und sucht dafür stets weitere innovationsstarke Partnerinnen und Partner.

Dr. Jan Schröder ist Geschäftsfeldleiter Innovation und Vernetzung sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei der contec GmbH, die das Koordinationsbüro des INNET übernimmt.