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Sterbehilfe

Assistierter Suizid: Pflegeheime in der rechtlichen Grauzone




Die Caritas in Magdeburg hat für ihre Einrichtungen geregelt, wie mit Sterbewilligen umgegangen wird.
epd-bild/Werner Krüper
Der Bundestag hat vor kurzem zwei Gesetzentwürfe zur Regelung der Suizidassistenz abgelehnt. Die Caritas im Bistum Magdeburg legt daraufhin eine Orientierungshilfe für den Umgang mit Suizidwünschen von Pflegeheimbewohnern vor.

Magdeburg (epd). In der Tagespflege des Bischof-Weskamm-Hauses sitzen rund zehn Senioren gemeinsam am Tisch und nehmen ihr Frühstück ein. Die Leiterin des Caritas-Altenpflegeheims in Magdeburg, Dany Pigorsch, freut sich, dass Menschen, die allein leben, tagsüber in die Einrichtung kommen und abends mit einem guten Gefühl nach Hause gehen: „Das ist eine super Lösung.“ Dennoch erlebt auch sie, dass ältere Menschen Suizidabsichten äußern.

Als Trägerin der Einrichtung kennt die Caritas-Trägergesellschaft St. Mauritius im katholischen Bistum Magdeburg dieses Problem nicht nur aus der Tagespflege. Der Leiter der dortigen Stabstelle Seelsorge, Supervision, Coaching und Beratung, Norbert Lakomy, berichtet von Suizidwünschen, die kranke oder einsame alte Menschen gegenüber dem Pflegepersonal äußern. Der Diözesan-Caritasverband hat deshalb eine Orientierungshilfe herausgegeben, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Umgang mit dem Thema erleichtern soll. Gleichzeitig wünscht sich die Caritas klare Vorgaben durch den Gesetzgeber.

Verband zieht rote Linien

Die Referatsleiterin Altenhilfe im Magdeburger Caritasverband, Daniela Ringkamp, hat kein Verständnis für die Ablehnung der beiden Gesetzentwürfe zur Regelung des assistierten Suizids im Bundestag: „Durch die Nichtentscheidung besteht der Status quo weiter.“ Sterbehilfevereine seien weiterhin ungeregelt tätig. Jedes neue Gesetz, egal ob eher liberal oder restriktiv, wäre ihrer Auffassung nach besser gewesen.

Verbandsintern zieht die Caritas in ihrer Orientierungshilfe klare rote Linien, wie mit dem geäußerten Wunsch von Heimbewohnern nach Sterbehilfe umgegangen werden soll. „Wir kooperieren mit einem ambulanten Hospizdienst“, erklärt Ringkamp. Geschulte Mitarbeiter der Palliativmedizin sprechen mit den Betroffenen und versuchen herauszufinden, wie stabil der Suizidwunsch wirklich ist. „Oft sind es Ängste vor Schmerzen oder der Wunsch, nicht den Angehörigen oder dem Pflegepersonal zur Last zur fallen“, so die Caritas-Referatsleiterin. „Wir fragen dann, wie wir Hilfestellung geben können, und wollen die Person umfassend begleiten.“

Ambulanter Palliativdienst kommt in die Einrichtung

Sollte der Wunsch nach Suizid weiterbestehen, müssten die Betroffenen dennoch die Pflegeeinrichtung nicht verlassen. „Seelsorge ist Begleitung bis zum Schluss“, betont Ringkamp. „Wir wollen den Faden nicht abreißen lassen.“ Das gelte auch, wenn jemand einen assistierten Suizid begeht. Seelsorgerische Begleitung, etwa einem Sterbenden die Hand zu halten, soll in diesen Fällen laut Orientierungshilfe für die Mitarbeitenden freiwillig sein.

Stabsstellenleiter Lakomy sagt, dass sich die Caritas damit in einer rechtlichen Grauzone bewege. Er betont, die Einrichtungen würden sich nicht an assistierten Suiziden beteiligen: „Wir stehen für das Leben und bieten Schutzräume.“ Sterbehilfevereine dürften in den Einrichtungen nicht für sich werben, etwa durch Flyer oder Vorträge. Ebenso dürfe das Pflegepersonal Bewohnerinnen und Bewohnern keine tödlichen Medikamente verschaffen. Gleichzeitig gesteht Lakomy ein: „Wenn jemand Besuch von einem Sterbehilfeverein haben will, können wir das nicht verhindern.“

Doch dazu kommt es oftmals gar nicht. Die Tagespflege-Leiterin Pigorsch erzählt von einem älteren Ehepaar, das gemeinsam mehrere erfolglose Suizidversuche unternommen hat. „Die Frau war auf ihren Mann angewiesen, doch der war mit der Situation überfordert“, berichtet sie. Während der Mann Hilfe abgelehnt habe, komme die Frau seitdem regelmäßig in die Tagespflege, spiele mit den anderen Senioren Rommé oder unterhalte sich: „Hier blüht sie auf und lacht gerne.“

Oliver Gierens


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