Essen (epd). Die Sozialhilfe darf eine überforderte behinderte Frau bei der Wohnungssuche nicht alleine lassen. Der Sozialhilfeträger ist zur Unterstützung verpflichtet, wenn eine behinderte Sozialhilfebezieherin ohne deutsche Sprachkenntnisse eine günstigere Wohnung suchen muss, ist entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem am 10. Juli veröffentlichten Urteil. Ohne diese Hilfe dürfe die Behörde sonst nicht die Unterkunftskosten senken, betonten die Essener Richter, die wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zugelassen haben.
Im konkreten Fall ging es um eine in Georgien geborene Sozialhilfebezieherin. Bei ihr wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie wegen ihrer Gehbeeinträchtigung das Merkzeichen „G“ festgestellt. Nach dem Tod ihres Ehemannes bewohnt sie allein eine 66 Quadratmeter große Wohnung. Da sie kaum über Deutschkenntnisse verfügt, hilft ihr ein Pflegedienstmitarbeiter aus Gefälligkeit bei Behörden- und Bankgeschäften.
Als der Sozialhilfeträger feststellte, dass die Frau seit dem Tod ihres Mannes in einer zu großen und damit unangemessenen Wohnung lebt, wurde sie zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert.
Als die Frau dem nicht nachkam, übernahm der Sozialhilfeträger nur noch einen Teil der Miete. Offene Mietzahlungen für die Monate Juli bis Oktober 2017 in Höhe von jeweils 89 Euro sowie in Höhe von jeweils 95 Euro für die Monate November und Dezember 2017 zahlte die Klägerin aus ihrem Sozialhilfesatz.
Das LSG urteilte, dass der Sozialhilfeträger die Unterkunftskosten voll übernehmen muss. Denn bei der Frau „kommen mehrere Faktoren zusammen, die es ihr im Zusammenspiel unmöglich machen, ohne fremde Hilfe eine andere Wohnung anzumieten“. Wegen ihrer fehlenden Deutschkenntnisse und mangelnder Geschäftserfahrung sei sie nicht fähig, selbst eine Wohnung zu suchen. Wegen ihrer Gehbehinderung könne sie auch nicht selbstständig Wohnungsbesichtigungen durchführen.
In solch einem Fall dürfe die Behörde nicht die zu übernehmenden Unterkunftskosten absenken, sondern müsse vielmehr Unterstützung bei der Wohnungssuche bieten. Dazu gehöre etwa die Vermittlung einer geeigneten angemessenen Unterkunft oder zusätzliche Sozialleistungen, um einen Makler beauftragen zu können. Dass der Pflegedienstmitarbeiter bei der Wohnungssuche hilft, könne nicht verlangt werden. Die Hilfe bei Behörden- und Finanzangelegenen seien aus reiner Gefälligkeit erfolgt, auf die es keinen Anspruch gebe.
Az.: L 9 SO 429/21