Karlsruhe (epd). Kleinstlöhne für Häftlinge sind verfassungswidrig. Wie das Bundesverfassungsgericht am 20. Juni in Karlsruhe urteilte, müssen Gefangene für ihre in der Justizvollzugsanstalt (JVA) geleistete Arbeit eine „angemessene Anerkennung“ erhalten. Der Gegenwert, den die Gefangenen für ihre geleistete Arbeit erhalten, müsse für sie „unmittelbar erkennbar“ sein.
Die Karlsruher Richter erklärten damit die Vergütungsregelungen für Gefangene in Nordrhein-Westfalen und Bayern wegen des Verstoßes gegen das Resozialisierungsgebot für verfassungswidrig. Bis zum 30. Juni 2025 muss der Gesetzgeber nun verfassungsgemäße Regelungen schaffen.
Die über 42.000 Gefangenen in Deutschland erhalten für ihre im Gefängnis - je nach Bundesland - freiwillig oder verpflichtend geleistete Arbeit bei einem Acht-Stunden-Tag einen Tagessatz von 13,86 Euro. Der Stundenlohn kann nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe zwischen derzeit 1,33 Euro bis 2,22 Euro je nach geleisteter Arbeit variieren.
Gesetzlich beläuft sich die Höhe der Gefangenenentlohnung auf neun Prozent des Durchschnittslohns eines Arbeitnehmers. In mehreren Bundesländern sind auch freie Tage Teil der Vergütung.
In den zwei vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen hielten die Kläger die Gefangenenvergütung für viel zu niedrig und sahen darin einen Verstoß gegen das Resozialisierungsgebot. Einer der Kläger arbeitete in einer Druckerei der JVA Straubing, der zweite als Kabelzerleger in der JVA Werl.
Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen recht, ohne jedoch einen konkreten Mindestlohn für Gefangene zu benennen. Diene die Arbeit im Knast der Resozialisierung und soll ihnen damit eine „eigenverantwortliche Lebensführung“ nach der Haftentlassung vermittelt werden, müsse der Gegenwert der Arbeit für sie „unmittelbar erkennbar“ sein.
Die Regelungen in Bayern und NRW würden dem nicht gerecht und seien widersprüchlich. So sähen die Landesregelungen vor, dass die Gefangenen mit ihrer Arbeitsentlohnung sich nicht nur selbst etwas in der JVA kaufen könnten, sie sollten davon auch einen Beitrag zu den Haftkosten sowie Unterhalts- und Wiedergutmachungszahlungen leisten. Auch eine Schuldentilgung solle ihnen mit der Vergütung ermöglicht werden. Die Entlohnung sei aber so niedrig, dass diese Ziele „realitätsfern“ seien, rügte das Bundesverfassungsgericht. Generell sei eine Beteiligung an den Haftkosten aber möglich.
Auch fehle es an einer „wissenschaftlich begleiteten Evaluation der Resozialisierungswirkung von Arbeit und deren Vergütung“, hieß es in dem Urteil. Die Entscheidung hat auch Signalwirkung auf alle anderen Bundesländer, die vergleichbare Entlohnungen für die Gefangenenarbeit vorsehen.
Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied, sagte zu dem Urteil: „Damit muss die von Gefängnisinsassen geleistete Arbeit künftig besser vergütet werden und sollte sich aus unserer Sicht künftig am gesetzlichen Mindestlohn orientieren.“
Az.: 2 BvR 166/16 und 2 BvR 1683/17