sozial-Recht

Oberlandesgericht

Eltern haften durchgehend für ihre Kleinkinder



Oldenburg, Osnabrück (epd). Laut eines aktuellen Urteils des Oberlandesgerichts Oldenburg haften Eltern auch dann für ihre Kinder, wenn sie sie kurzzeitig unbeaufsichtigt lassen. Die Oldenburger Richter hoben nun in einer Berufungsverhandlung ein gegenteiliges Urteil des Landgerichts Osnabrück auf. Kleinkinder bedürften generell ständiger Aufsicht, teilte das Oberlandesgericht am 22. Mai mit. Dabei bestimme sich das Maß der gebotenen Kontrolle nach den Umständen des Einzelfalles und erhöhe sich mit der möglichen Gefahr in der konkreten Situation.

Im vorliegenden Fall hatte eine Mutter im Landkreis Osnabrück ihren zweieinhalbjährigen Sohn nach einer Familienfeier in den Kindersitz auf dem Beifahrersitz gesetzt. Allerdings schnallte sie das Kind nicht an und ging noch einmal ins Haus. Der Junge krabbelte vom Kindersitz, nahm den Autoschlüssel, den die Mutter auf das Armaturenbrett gelegt hatte, und startete den Wagen. Das Auto machte einen Satz nach vorn und verletzte die Großmutter des Kindes, die anderthalb Meter entfernt auf einer Bank saß. Sie erlitt schwere Verletzungen beider Kniegelenke und musste umfangreich im Krankenhaus behandelt werden.

Krankenkasse wollte Behandlungskosten erstattet bekommen

Die Krankenkasse der Großmutter nahm die Kindesmutter vor dem Landgericht Osnabrück in Anspruch, hieß es. Sie habe ihre Aufsichtspflicht verletzt. Die Mutter argumentierte dagegen, mit dem Verhalten des Kindes sei nicht zu rechnen gewesen. Das Starten des Wagens sei eine komplexe Abfolge von Handlungen. Sie selbst sei nur ein, zwei Minuten weg gewesen. Das Landgericht Osnabrück folgte der Mutter und wies die Klage ab. Es liege eine „außergewöhnliche Kausalkette“ vor, mit der ein umsichtiger Elternteil nicht zu rechnen brauche.

Dagegen wandte sich die Krankenkasse erfolgreich mit ihrer Berufung. Die Kindesmutter sei für das Kind aufsichtspflichtig. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts habe sie durch das Alleinlassen des Kindes im Auto - und das Zurücklassen des Autoschlüssels - eine ganz erhebliche Gefahr geschaffen. Das weitere Geschehen sei auch nicht völlig außergewöhnlich gewesen. Kleine Kinder griffen erfahrungsgemäß gern nach Schlüsseln und versuchten, sie in Schlösser hineinzustecken. Die Mutter hätte das Kind im Kindersitz anschnallen, die Schlüssel mitnehmen oder jemanden mit der Beaufsichtigung beauftragen müssen.

Az.: 14 U 212/22