Osnabrück (epd). Die Erziehungswissenschaftlerin Julia Schneewind-Landowsky spricht sich deutlich gegen die Vergrößerung von Kita-Gruppen als Reaktion auf den Fachkräftemangel aus. Studien der vergangenen Jahrzehnte zeigten, dass der Betreuungsschlüssel in den Kitas im Gegenteil verbessert werden müsse, sagte die Elementarpädagogin an der Hochschule Osnabrück dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Zur Erinnerung: Kitas sind keine Aufbewahrungsstationen, sondern die erste Bildungsinstitution, die Kinder in Deutschland besuchen.“
Derzeit betreuen zwei Erzieherinnen maximal 25 Kinder, sagte Schneewind-Landowsky. Um weiteren Versorgungsengpässen in den Kitas entgegenzuwirken, hatten kürzlich die Städtetage unter anderem in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eine Absenkung der Standards in den Kitas gefordert. Konkret sollen unter anderem die Gruppen vergrößert und häufiger als bisher erlaubt auch Betreuungskräfte eingesetzt werden können, die keine Fachkräfte seien, erläuterte die Expertin.
Schneewind-Landowsky sagte, die pädagogischen Fachkräfte seien mit immer mehr Herausforderungen konfrontiert. Das betreffe etwa die psychosoziale Verfassung der Kinder oder finanzielle Probleme der Familien. Hinzu kämen gesundheitliche Probleme, Übergewicht, übermäßiger Medienkonsum, Verhaltensauffälligkeiten der Kinder. „Kitas sind ein Ort, an dem Familien niedrigschwellig Unterstützung bei der Bewältigung der Erziehungsaufgaben bekommen könnten, sofern die Kapazitäten da wären.“
Sie halte es für unvermeidbar, dass die Öffnungszeiten der Kita gekürzt und gegebenenfalls Gruppen geschlossen würden, sagte Schneewind-Landowsky. „Ohne Druck wird sich nichts verändern, sondern der Mangel auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgetragen.“ Trotz höherer Anforderungen, längerer Öffnungszeiten und einer größeren Anzahl von Kitas gebe es keine Ausbildungsinitiative und keine Aufwertung des Berufs. Je höher der Druck im Alltag für die einzelne Fachkraft sei, desto größer sei die Gefahr, dass Menschen aus dem Beruf ausstiegen oder ihn gar nicht in Betracht zögen.
Eine Verkürzung von Ausbildungszeiten oder die Öffnung der Kitas für pädagogisch nicht qualifizierte Quereinsteiger lehnt die Elementarpädagogin ab. Sie forderte stattdessen eine vergütete Ausbildung, höhere Löhne, flexible Arbeitszeitmodelle, Rahmenbedingungen, die nicht krank machten und eine bessere Gesundheitsförderung. „Es sagt sehr viel über unsere Gesellschaft aus, welchen Stellenwert wir der professionellen, fachlich fundierten Bildung und Erziehung von Kindern beimessen - und wie viel wir bereit sind, dafür zu investieren.“