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Pflege

Viel Kritik an der Pflegereform der Ampel-Koalition




Eine Pflegekraft testet bei einer alten Dame den Blutzucker
epd-bild/Werner Krüper
In der Anhörung des Bundestags wurde deutlich, dass die Angehörigen, die vier Fünftel aller Pflegebedürftigen versorgen, kaum auf Verbesserungen durch die geplante Pflegereform hoffen können. Das Plus beim Pflegegeld liegt unter der Inflationsrate.

Berlin (epd). Die geplante Pflegereform ist am 10. Mai im Bundestag bei Sachverständigen und Verbänden vielfach auf Ablehnung gestoßen. Der Reformentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gehe am Bedarf vorbei, und die Finanzierung werde nur kurzfristig stabilisiert, erklärten Sachverständige und Verbände in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zu dem Gesetzentwurf, der gegenwärtig im Parlament beraten wird.

Entlastungsbudget gestrichen

Die Interessenvertretung pflegender Angehöriger „wir pflegen!“ warf der Bundesregierung eine „systematische Benachteiligung pflegebedürftiger Menschen in der häuslichen Pflege“ vor. Dem Gesetz zufolge sollen die Sachleistungen und das Pflegegeld für die Angehörigen 2024 um fünf Prozent steigen. Sämtliche Sozial- und Angehörigenverbände halten diese Steigerung für völlig unzureichend. Die Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege und der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisierten, sie gleiche nicht einmal die Inflation aus und komme zu spät. Die geschäftsführende Vorständin von „wir pflegen!“, Edeltraut Hütte-Schmitz, forderte, die Leistungen müssten sofort und deutlich erhöht werden.

Eine „besonders kritische Fehlentscheidung“ der Regierung sei es zudem, das angekündigte Entlastungsbudget wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen zu haben, kritisierte der Angehörigen-Verband. Das Entlastungsbudget sollte es pflegenden Familien leichter machen, Vertretungen zu organisieren. Mit vier Fünfteln wird die große Mehrheit der rund fünf Millionen Pflegebedürftigen zu Hause versorgt.

Die Reform dient vor allem dazu, die Pflegeversicherung durch Beitragserhöhungen kurzfristig zu stabilisieren. Die Einnahmen steigen um 6,6 Milliarden Euro im Jahr, in diesem Jahr also noch um die Hälfte. Dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-Spitzenverband) zufolge lag das Defizit der Pflegeversicherung Ende 2022 bei 2,2 Milliarden Euro. Hauptgründe sind zusätzliche Corona-Ausgaben, höhere Löhne in der Altenpflege und Preissteigerungen.

Pflegekassen verlangen neun Milliarden Euro vom Bund

Deshalb sollen die Beiträge zum Juli dieses Jahres von 3,05 Prozent des Einkommens auf 3,4 Prozent steigen, für Kinderlose von 3,4 auf vier Prozent. Es wird außerdem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, wonach Eltern mit mehreren Kindern geringere Beiträge zahlen. Der Präsident der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf), Martin Bujard, verlangte, die Beitragsabschläge pro Kind müssten nicht nur während der Familienphase, sondern lebenslang gewährt werden.

Die Pflege- und Krankenkassen rechneten vor, der Bund schulde der Pflegeversicherung knapp neun Milliarden Euro für Ausgaben, die nicht aus Beiträgen der Versicherten, sondern aus den öffentlichen Haushalten finanziert werden müssten. Der GKV-Spitzenverband forderte den Bund auf, 5,3 Milliarden Euro Corona-Extra-Ausgaben und weitere 3,5 Milliarden Euro für die Rentenbeiträge pflegender Angehöriger zu übernehmen. Der Verband der Ersatzkassen erklärte, mit dem Geld müssten die dringenden Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen finanziert werden.

Der Verband privater Pflegeanbieter (bpa) kritisierte, Gesundheitsminister Lauterbach unternehme mit dem Gesetz nicht einmal den Versuch, die pflegerische Versorgung zukunftsfest aufzustellen. Zwei Drittel der Pflegeeinrichtungen seien bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Bettina Markmeyer


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Daten zur Pflege in Deutschland

Frankfurt a.M. (epd). Zum „Tag der Pflegenden“ am 12. Mai hat das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) Zahlen zu Pflegebedürftigen und Fachkräften in Pflege veröffentlicht. Fünf Prozent der Bevölkerung (rund 4,8 Millionen Menschen) in Deutschland sind laut dem Barmer Pflegereport aktuell pflegebedürftig und auf ständige Hilfe angewiesen. Der Studie zufolge steigt deren Zahl bis zum Jahr 2030 auf rund sechs Millionen Betroffene (plus 30 Prozent) - und damit auch der Bedarf an Pflegekräften.

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