sozial-Recht

Oberlandesgericht

Klinik muss keinen Schadenersatz leisten nach verschlucktem Apfelstück



Frankfurt/Main (epd). Ein Krankenhaus kann stationär aufgenommene Kleinkinder nicht in jeder Lebenslage vor „luftfremden Stoffen“ in der Luftröhre bewahren. Gelangt kurz vor der Antibiotikagabe ein von der Mutter gereichtes Apfelstück in die Luftröhre des Kindes, muss das Krankenhaus und dessen Personal nicht für den aufgetretenen Sauerstoffmangel und den dabei erlittenen Hirnschaden haften, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am 4. Mai bekanntgegebenen Urteil.

Pflegefall bis ans Lebensende

Der klagende Junge musste wegen verstopfter Atemwege ins Krankenhaus. Es drohte eine Sauerstoffunterversorgung. Als eine Kinderkrankenschwester dem damals 14 Monate alten Kind Antibiotika verabreichte, war auch die Mutter bei dem Kind. Sie hatte dem Jungen zuvor Kartoffelchips und Apfelstücke zu essen gegeben. Einen Kartoffelchip hielt er noch in der Hand, Apfelstücke lagen auf dem Nachttisch. Bei der intravenösen Antibiotikagabe hatte die Krankenschwester nicht gefragt, ob das Kind gegessen hatte.

Der Junge fing plötzlich an zu schreien und wurde bewusstlos. Später stellte sich heraus, dass er ein Apfelstück in die Luftröhre bekommen hatte. Wegen des so verursachten Sauerstoffmangels erlitt das Kind einen Hirnschaden und wird bis an sein Lebensende ein Pflegefall bleiben.

Gerichtlich verlangte der Junge von der Klinik, zwei Ärzten und der behandelnden Kinderkrankenschwester Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das Landgericht sprach ihm ein Schmerzensgeld von einer Million Euro zu.

„Absolute Sicherheit nicht erreichbar“

Das OLG hob dieses Urteil jedoch auf und wies die Klage ab. Die Krankenschwester sei für die intravenöse Antibiotikagabe ausreichend qualifiziert gewesen. Ein Behandlungsfehler sei ihr nicht vorzuwerfen. Sie habe vor der Medikamentengabe eine Weile mit der Mutter gesprochen und das Kind beobachtet. Kau- und Schluckbewegungen habe sie nicht festgestellt. Während ihrer Anwesenheit habe der Junge auch nichts gegessen.

Dass luftfremde Stoffe in die Luftröhre gelangen, könne bei Kleinkindern in praktisch jeder Lebenslage vorkommen, betonte das Gericht. „Aufgrund dessen kann es in jeder Klinik täglich in unzähligen Alltagssituationen zu Aspirationen kommen.“ Nach Auskunft mehrerer Sachverständiger sei hier „eine absolute Sicherheit weder erreichbar noch als Behandlungsstandard gefordert“.

Az.: 8 U 127/21