sozial-Politik

Suizidassistenz

Experten fordern verstärkte öffentliche Debatte über Sterbehilfe



Bremen (epd). Die Debatte über einen assistierten Suizid kommt nach Einschätzung von Expertinnen und Experten in der Öffentlichkeit deutlich zu kurz. Dieter Birnbacher, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben, sprach in diesem Zusammenhang am 6. Mai bei einer Podiumsdiskussion in Bremen von „kollektiver Todesverdrängung“. Auch Elisabeth Jentschke, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DPG), kritisierte, die Situation der Menschen, die in großer Not seien, „wird viel zu wenig aufgegriffen und diskutiert“.

Die Bremer Palliativmedizinerin Katja Fischer, gebürtige Schweizerin, sagte, Anfragen nach assistiertem Suizid erreichten sie in Deutschland deutlich häufiger, als dies in ihrem Heimatland der Fall gewesen sei. Es gehe dann um großes Leid und die verzweifelte Suche nach Hilfe, erläuterte die Chefärztin bei einem Forum zum assistierten Suizid auf der Bremer Messe „Leben und Tod“.

„Hausaufgaben nicht gemacht“

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das erst 2015 verabschiedete Verbot der organisierten, sogenannten geschäftsmäßigen Suizidassistenz gekippt, mit dem die Aktivitäten von Sterbehilfevereinen unterbunden werden sollten. Das Gericht sah das Grundrecht auf Selbstbestimmung verletzt. Bei der Suizidassistenz werden einem Sterbewilligen etwa todbringende Medikamente überlassen, aber nicht verabreicht. Dies wäre eine Tötung auf Verlangen, die in Deutschland strafbar ist.

Der Bundestag muss über eine Neuregelung der Sterbehilfe entscheiden und berät darüber schon seit längerem. „Deutschland hat momentan die liberalste Gesetzgebung, die es überhaupt gibt, nämlich keine“, verdeutlichte DPG-Geschäftsführer Heiner Melching. Derzeit gelte mit Blick auf den assistierten Suizid, wenn die Tatherrschaft beim Suizidenten bleibe, handele es sich nicht um eine Straftat.

Schwierige Suche nach einem Arzt

DPG-Vorständin Jentschke warnte jedoch auch, viele Menschen hätten nach wie vor Wissensdefizite, was die palliative Versorgung angehe. Über Ängste müsse gesprochen, Suizidprävention und Beratung müssten ausgebaut werden. „Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht“, räumte die Psychologin ein.

Fischer, Jentschke und der Hamburger Palliativpfleger Sven Goldbach kritisierten, die derzeit fehlende Absicherung durch die Gesetzgebung führe zu großer Verunsicherung unter Ärzten und Pflegenden. Dem stimmte Birnbacher zu, fügte aber hinzu: „Ich frage mich, wie eine Gesetzgebung aussehen muss, die der Vielfalt möglicher Fälle genügt.“ Die dazu notwendigen Kriterien in einem Gesetz festzulegen, „ist ungemein schwer“. Wer jedenfalls jetzt Hilfe beim assistierten Suizid suche, „muss von Pontius zu Pilatus laufen, um einen Arzt zu finden“.



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