sozial-Politik

Studie

In Branchen mit Personalmangel sind viele krank




Hinweisschild auf die Folgen des Fachkräftemangels
epd-bild/Heike Lyding
Personalmangel ist nach Erkenntnissen der DAK-Gesundheit ein Krankheitsrisiko für die Beschäftigten. Besonders betroffen ist die Pflegebranche. Verbände und Gewerkschaften fordern Abhilfe - auch durchmehr Personal.

Berlin (epd). Der am 19. April in Berlin veröffentlichte DAK-Gesundheitsreport zeige, dass der Krankenstand in Mangelberufen überdurchschnittlich hoch sei, teilte die DAK mit. Besonders groß sei das Problem in der Alten- und Krankenpflege sowie in der Kinderbetreuung.

So habe der Krankenstand in der Altenpflege sieben Prozent, in der Kinderbetreuung und im Maschinenbau 6,8 Prozent und in der Krankenpflege 6,1 Prozent betragen. Der Durchschnitt für alle Berufe lag demnach bei 5,5 Prozent. Der Wirtschaftswissenschaftler Volker Nürnberg, der die Entstehung des Reports begleitete, sprach von einem Teufelskreis: „Hohe Fehlzeiten und Personalmangel bedingen einander und verstärken sich jeweils in den Effekten.“

7.000 Beschäftigte befragt

Für den Gesundheitsreport befragte das Forsa-Institut repräsentativ nach DAK-Angaben zwischen Ende November und Ende Dezember 2022 mehr als 7.000 Beschäftigte. Zusätzlich wertete das IGES-Institut Daten aus dem Jahr 2022 von 2,4 Millionen DAK-Versicherten aus. Demnach gaben fast drei Viertel (74 Prozent) der Krankenpflegekräfte und fast zwei Drittel der Altenpflegekräfte (65 Prozent) an, ihre Arbeit mit dem vorhandenen Personal nur unter großer Anstrengung zu schaffen. In Branchen mit regelmäßigem Personalmangel gaben 70 Prozent der Befragten an, sie hätten in den vergangenen zwölf Monaten gearbeitet, obwohl sie krank waren. In Branchen ohne Personalmangel waren es nur 41 Prozent.

DAK-Vorstandsvorsitzender Andreas Storm sagte, die Zusammenhänge zwischen Personalmangel und Krankenstand seien viel größer als bislang vermutet: „Deshalb müssen wir schnell entgegensteuern.“ Storm schlug einen Runden Tisch mit Beteiligten aus Politik, Krankenkassen und Sozialpartnern vor.

Diakonie für besseren Arbeitsschutz

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, sprach von einem „Warnsignal“. Aufgaben des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsförderung müssten künftig in Pflegesatz- und Vergütungsverhandlungen berücksichtigt werden, forderte sie.

Die Studie mache deutlich, dass die Beschäftigten insbesondere in der Pflege überdurchschnittlich stark vom Personalmangel betroffen sind. Die vorhandenen Mitarbeitenden müssten zusätzliche Arbeiten übernehmen und die Vakanzen kranker Kolleginnen und Kollegen auffangen. Diese Mehrbelastung macht auch sie krank. „Zur Realität in der Pflege gehört auch, dass verantwortungsbewusste Mitarbeitende arbeiten, obwohl sie krank sind“, so Loheide weiter. Die Politik müsse die finanziellen Rahmenbedingungen für Entlastungen in der Pflege schaffen. Der vorliegende Entwurf für ein Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz von Bundesminister Lauterbach verdiene seinen Namen nicht, rügte die Diakoniechefin.

Gewerkschaft: Mit mehr Personal heraus aus dem Teufelskreis

Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, sagte in Berlin, die Ergebnisse der Studie seien alarmierend. "Dass eine dünne Personaldecke und hohe Arbeitsbelastungen Beschäftigte krank machen, sehen wir seit Jahren. Gerade im Gesundheits- und Pflegebereich existiert Personalmangel fast flächendeckend - mit fatalen Folgen für die Gesundheit der Beschäftigten. Ein hoher Krankenstand verschärft wiederum Personalengpässe und hält in der Folge Menschen davon ab, in Pflegeberufen arbeiten zu wollen.

„Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen brauchen wir endlich mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen in den betroffenen Branchen“, so Piel. Dafür müssten die Arbeitgeber ihrer Verantwortung für den Gesundheitsschutz der Beschäftigten besser gerecht werden: „Arbeit muss so organisiert sein, dass für Aufgaben genug Zeit bleibt. Individuelle Bedürfnisse der Beschäftigten sollten immer zu Verbesserungen durch betriebliches Gesundheitsmanagement führen - und zwar unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße.“

Nils Sandrisser, Dirk Baas