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Bundestag

Anhörung: Weg zur Entkriminalisierung des Containerns umstritten




Jesuitenpater Jörg Alt verteilt 2021 Lebensmittel, die er zuvor aus Abfallcontainern entwendet hatte.
epd-bild/Valeska Rehm
Die Linke hat eine Änderung des Strafgesetzbuches vorgeschlagen, um das Containern, also das Mitnehmen weggeworfener Speisen, zu legalisieren. Doch Experten sind skeptisch, ob dieser Weg gangbar ist. Einig zeigten sich die Fachleute nur darin, dass Lebensmittel nicht mehr einfach entsorgt werden sollten.

Berlin (epd). Im Rechtsausschuss des Bundestages stand am 18. April erneut das Containern auf der Tagesordnung. Der Ausschuss hatte Expertinnen und Experten eingeladen, um einen Vorschlag zur Entkriminalisierung des Containerns von Lebensmitteln hinterfragen zu lassen, den die Linke vorgelegt hat. Sie will dazu das Strafgesetzbuch ändern. Das Ziel des Entwurfs wurde zwar durchweg begrüßt, die Rechtsexperten bewerteten die Umsetzungsfähigkeit allerdings sehr unterschiedlich.

Um eine Strafbarkeit wegen Diebstahls auszuschließen, will die Linke von der Verfolgung dieser Taten abgesehen. Zu diesem Zweck solle ein Absatz 2 in den § 248a StGB eingefügt, der regelt, dass von der Verfolgung abzusehen ist, wenn sich die Tat auf Lebensmittel bezieht, die vom Eigentümer in einem Abfallbehälter zur Beseitigung deponiert oder anderweitig zur Abholung bereitgestellt wurden.

Gutachten: Verfahren enden oft mit Freispruch

Einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zufolge wird mit dem Begriff „Containern“ das Entwenden von Lebensmitteln bezeichnet, die - etwa wegen einer Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums - entsorgt wurden. Komme es zu Anzeigen, wird das von Staatsanwaltschaften und Strafgerichten zumeist als Diebstahl nach Paragraf 242 Absatz 1 Strafgesetzbuch eingestuft. In der Praxis endeten viele Verfahren mit einer Einstellung oder einem Freispruch, hieß es.

Der Leipziger Rechtsanwalt Max Malkus, der von den Grünen als Sachverständiger vorgeschlagen, sagte, Containern sei kein Randproblem. Er teile nicht die Ansicht, dass Lebensmittel, in dem Moment, wenn sie im Mülleimer landen, zu Abfall werden, denn sie könnten wieder entwidmet werden. EU-Recht stehe seiner Ansicht nach einer Entkriminalisierung des Containerns nicht entgegen. „Sozialwidrig ist das Widmen von Lebensmitteln zu Abfällen, und nicht umgekehrt das Retten von Lebensmitteln“, so der Anwalt. Hier müsse man ansetzen, doch da sei bisher leider nichts passiert.

Tafel-Verband: Containern muss überflüssig werden

Jochen Brühl, Vorsitzender des Dachverbands Tafel Deutschland, begrüßte die gesellschaftliche und politische Debatte zum Umgang mit überschüssigen Lebensmitteln und damit auch zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung sowie die Auseinandersetzung mit möglichen gesetzlichen Regelungen in Deutschland. Auch Brühl, der ebenfalls auf Vorschlag der SPD teilnahm, rief die Politik auf, durch konkrete Maßnahmen und unter Einbeziehung der gesamten Wertschöpfungskette Containern überflüssig machen. Vor allem aber sollte niemand in Deutschland im Müll wühlen müssen, um an Lebensmittel zu kommen.

Elisa Kollenda, Ernährungsexpertin von der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland, die auf Vorschlag der SPD an der Anhörung teilnahm, betonte, die Entkriminalisierung des Containerns sei aus ökologischer und sozialer Sicht ein sinnvoller Schritt. Gleichzeitig packe der Vorstoß der Linksfraktion das Problem noch nicht an der Wurzel. Stattdessen sollte die Bundesregierung die Überschussproduktion und Verschwendung schon von Anfang und entlang der gesamten Lieferkette durch einen gesetzlichen Rahmen verhindern.

„Materielle Strafbarkeit bleibt bestehen“

Mohamad El-Ghazi von der Universität Trier erklärte, der Gesetzentwurf bewirke keine echte Entkriminalisierung. Die vorgeschlagene Regelung sei prozessualer Natur, „denn die materielle Strafbarkeit bliebe bestehen“. Der Professor, der auf Vorschlag der SPD eingeladen wurde, sagte, die vorgeschlagene Regelung sei zu weit gefasst und schieße über das eigentliche Ziel hinaus. Es würden Ressourcen für ein Scheinproblem vergeudet, so der Jurist.

Der Bundestag hatte sich am 26. Januar erstmalig mit dem Gesetzentwurf befasst. Bereits in der 19. Wahlperiode gab es mehrere Initiativen mit dem Ziel, das Containern zu entkriminalisieren oder auf andere Weise die Verschwendung von noch verbrauchbaren Lebensmitteln zu verhindern - bislang ohne Erfolg.

Dirk Baas