München (epd). Die Gummibärchen kommen aus Fort Lauderdale in Florida und haben es in sich. Sie enthalten CBD, das steht für Cannabidiol, einem Stoff, der in der Cannabispflanze vorkommt. Er wirkt beruhigend, soll auch entzündungshemmend sein - und ist nicht verboten. Vom Verkauf von CBD-Produkten leben Läden wie der von Michael Vetter im hippen Münchner Glockenbach-Viertel.
Von außen sieht der Laden in der Hans-Sachs-Straße fast aus wie eine Drogerie. „Cannabis und mehr“ steht auf Englisch auf dem weißen Firmenschild. Seit gut zwei Jahren verkauft hier Inhaber Vetter allerlei legale Produkte. „Es geht dabei vor allem um die entspannende Wirkung“, sagt der 58-Jährige, und „die Leute nehmen das zum Einschlafen“. Säuberlich aufgereiht stehen CBD-Kekse, Cannabis-Wein, Hanföl für die Haut und Cannabis-Drinks mit Ingwer und Curcuma in den Regalen. „Meine Kundschaft ist zwischen 18 und 89 Jahre alt“, berichtet Vetter.
Auf die Idee mit dem Cannabis-Laden kam der selbstständige Drucktechniker in der Corona-Krise. Als die Kundschaft wegbrach, suchte er nach neuen Wegen. Vom Laden alleine leben könne er nicht, das sei noch immer eher ein zweites Standbein. Seine Hoffnung auf den legalen Verkauf von Cannabis, wie er im Koalitionsvertrag der Ampel fixiert ist, hat sich jetzt ad hoc zerschlagen. Denn Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Pläne, den Verkauf der Droge in bestimmten Läden oder Apotheken flächendeckend zu erlauben, zunächst auf Eis gelegt.
Cannabis-Verkauf soll dem Minister zufolge in den nächsten fünf Jahren nur in regionalen Modellprojekten möglich sein. Doch noch ist offen, wo diese Versuche stattfinden sollen und ob und wie sich mögliche Händler beteiligen können.
Michael Vetter kann sich zwar vorstellen, mit seinem Laden in fünf Jahren in den legalisierten Verkauf einzusteigen, sagt aber auch: „Das hängt von den Vorgaben des Gesetzes ab.“ Ginge es nach ihm, dann sollte es keine Abgabe der Droge an unter 21-Jährige geben und die Kunden sollten nur eine begrenzte Menge pro Monat kaufen können. Den Schwarzmarktpreis für ein Gramm „Gras“ schätzt er aktuell auf 12 bis 16 Euro pro Gramm, was aber viele 16-Jährige nicht davon abhalte zu „kiffen“.
Um diese Jugendlichen kümmert sich bei der Münchner Drogenberatungsstelle Condrops der Abteilungsleiter für die Jugendsucht- und Familienhilfe, Siegfried Gift. Er ist einer von mehr als 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Condrops mit ihren über 70 Einrichtungen. Und was hält Gift von der Legalisierung von Cannabis? Hätte man ihn das vor zehn Jahren gefragt, so die Antwort, „hätte ich gesagt, wir brauchen neben Alkohol nicht noch eine legale Droge“. Heute habe sich seine Sicht auf die Dinge geändert.
Die kontrollierte Abgabe von Haschisch an Erwachsene unter strengen Auflagen sei richtig. Denn die Kriminalisierung verhindere die soziale Integration und das Aufsuchen von Hilfsangeboten. Gift sagt: „Zum Schaden durch den Drogenkonsum kommt noch die Strafverfolgung hinzu.“ Und deren Folgen wie Haft, Führerscheinverlust, Schulverweis oder Jobkündigung. Wichtig sei auch, dass die Qualität des Cannabis kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet ist: „Die Abgabeorte müssen weit weg von Schulen liegen“, fordert Gift.
Die künftige Legalisierung von Cannabis lässt bereits neue Geschäftsideen blühen. So denken bereits Bauern über den professionellen Anbau von Hanfpflanzen nach - und es gibt es mittlerweile schon einen „Cannabis Verband Bayern“.
Der Deutsche Hanfverband hegt weiter die Hoffnung auf eine möglichst schnelle Freigabe des Verkaufes von Cannabis. Sprecher Georg Wurth dazu: „Während wir über die Details der Marktregulierung diskutieren, wird immer noch alle drei Minuten ein Strafverfahren gegen einen Cannabiskonsumenten wegen ein paar Gramm oder ein paar Pflanzen eröffnet. Seit dem Antritt der Koalition waren es schon über 200.000 Verfahren.“ Endlich habe die Ampel begriffen, dass das nicht akzeptabel ist. „Jetzt muss schnellstmöglich ein konkreter Gesetzentwurf vorgelegt werden. Jedes weitere Strafverfahren gegen einfache Konsumenten ist eins zu viel“, so Wurth.
Die Abkehr von einem umfassenden Legalisierungsgesetz zugunsten von räumlich begrenzten Modellregionen sieht man beim DHV jedoch deutlich kritischer: "Kein konkretes Legalisierungsgesetz in Brüssel vorzulegen und prüfen zu lassen, ist ein Fehler. Ohne ein formelles Notifizierungsverfahren bleibt es die Ampel-Regierung, die den Plan beerdigt, nicht die EU”, so Wurt.