sozial-Politik

Gesetzentwurf

Bundeskabinett bringt Pflegereform auf den Weg




Pflegekraft mit einer Heimbewohnerin im Rollstuhl
epd-bild/Werner Krüper
Kinderlose sollen künftig mehr für die Pflegeversicherung zahlen, Eltern mit mehreren Kindern hingegen entlastet werden. Auch einige Leistungsverbesserungen sind vorgesehen. Sozialverbänden gehen die Pläne des Bundesgesundheitsministers indes nicht weit genug.

Berlin (epd). Die Beiträge zur Pflegeversicherung sollen zum Juli dieses Jahres steigen. Das Bundeskabinett hat am 5. April in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschlossen, der Beitragserhöhungen und Leistungsverbesserungen vorsieht. Die zusätzlichen Einnahmen sollen die Finanzen der Pflegeversicherung stabilisieren. Mit dem Gesetz wird auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, wonach Eltern mit mehreren Kindern weniger zahlen müssen als Eltern mit einem Kind oder kinderlose Versicherte.

Dem Entwurf zufolge soll der allgemeine Beitragssatz von 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens auf 3,4 Prozent steigen, Kinderlose zahlen 4 Prozent statt bisher 3,4 Prozent. Eltern mit zwei und mehr Kindern zahlen zwischen 3,15 und 2,4 Prozent. Die Einnahmen der Pflegeversicherung erhöhen sich um 6,6 Milliarden Euro pro Jahr.

Geld- und Sachleistungen werden angehoben

Zu den Verbesserungen, die 2024 wirksam werden sollen, zählen eine fünfprozentige Erhöhung der Geld- und Sachleistungen für pflegende Angehörige und eine Erhöhung der Zuschüsse für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner. Sie müssen einen immer größeren Teil der Kosten ihres Heimplatzes aus eigener Tasche bezahlen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte: „Dass immer mehr Menschen nach einem arbeitsreichen Leben in die Sozialhilfe abrutschen, werden wir nicht akzeptieren.“

Die Grünen-Abgeordneten Maria Klein-Schmeink und Kordula Schulz-Asche kündigten an, im parlamentarischen Verfahren auf Nachbesserungen im Regelwerk dringen zu wollen. Sie erklärten, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) habe verhindert, „dass die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen in der Höhe entlastet werden, wie es notwendig wäre“. So fehle nun etwa die vereinbarte Vereinfachung bei der Beantragung von Entlastungsleistungen in der häuslichen Pflege.

Diakonie: Tropfen auf den heißen Stein

Die Diakonie bewertet die Maßnahmen als „Tropfen auf den heißen Stein“. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erklärte, in der Langzeitpflege würden die Kostensteigerungen weiterhin auf die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sowie die Einrichtungen abgewälzt, die bereits völlig überlastet seien. Besonders schmerze der Rückschritt bei der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege. Auch die Caritas bemängelte, dass das Entlastungsbudget für pflegende Angehörige, entgegen der Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag, aus dem Gesetzentwurf herausgenommen worden sei.

Das Konzept bleibe deutlich hinter den im Koalitionsvertrag vereinbarten Plänen zurück und sei ungeeignet, die Krise der Pflege abzumildern, rügte AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner. „Der heutige Entwurf begegnet dem bevorstehenden Kollaps der Pflege in Deutschland mit bestenfalls homöopathischen Konzepten.“ Die beschlossenen Maßnahmen würden die Zahlungsfähigkeit der Pflegeversicherung zwar für ein paar Monate sichern, aber dann stelle sich das Problem erneut und unverändert.

Zahlungsfähigkeit nur kurzfristig gesichert

„Weder ist vorgesehen, den durch die Belastungen der Corona-Pandemie entstandenen zusätzlichen Finanzbedarf der Pflegekassen durch Steuermittel auszugleichen, noch werden die Pflegekassen von versicherungsfremden Leistungen wie der Übernahme der Rentenbeiträge pflegender Angehöriger entlastet“, so die Präsidentin. Die vorgesehenen Maßnahmen, wie zum Beispiel die Aufschiebung der Überweisung an den Pflegevorsorgefonds, sicherten die Zahlungsfähigkeit der Pflegeversicherung zwar für ein paar Monate, aber eine langfristige, nachhaltige Lösung sehe der Entwurf nicht vor.

Die neue Ankündigung, zum 31. Mai 2024 Empfehlungen für eine stabile und dauerhafte Finanzierung der Pflegeversicherung vorzulegen, kommt laut der AWO deutlich zu spät. Dass dabei besonders die Ausgabenseite unter Einbeziehung unter anderem des Finanzministeriums betrachtet werden solle, lasse für pflegebedürftige Menschen nichts gut erahnen.

Verband: Keine zukunftsfeste Ausgestaltung der Pflege

Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, zeigte sich ebenfalls enttäuscht. „Die vorgelegte Pflegereform beweist einmal mehr: Die Sicherung der Pflege hat für die Ampelregierung keine Priorität.“ Im Wesentlichen würden lediglich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zur differenzierten Beitragsgestaltung umgesetzt. „Eine demografie- und zukunftsfeste Ausgestaltung der pflegerischen Versorgung? Fehlanzeige.“, so Meurer.

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch äußerte sich ähnlich. „Klammheimlich wurde nun die eigentlich geplante Zusammenlegung des Entlastungsbudgets für Kurzzeit- und Verhinderungspflege doch wieder gestrichen“, kritisierte er. Auch müssten sich die Betroffenen im nächsten Jahr mit einer Erhöhung von nur fünf Prozent abfinden. „Das steht nicht ansatzweise im Verhältnis zur Kostenexplosion von 40 Prozent in den letzten fünf Jahren in der Altenpflege.“

Problem der steigenden Eigenanteile nicht gelöst

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte den Entwurf als „völlig unzureichend“. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider erklärte, eines der Hauptprobleme, das durch den Gesetzentwurf nicht gelöst werde, seien die explodierenden Eigenanteile. „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo gilt: Wer pflegebedürftig wird, muss Armut fürchten.“

Rund 4,9 Millionen Menschen beziehen Leistungen aus der Pflegeversicherung. Rund vier Millionen werden von ihren Angehörigen zu Hause versorgt. In den Corona-Jahren stiegen die Ausgaben der Pflegeversicherung stark an. Sie lagen 2021 bei rund 53,8 Milliarden Euro und damit 1,35 Milliarden Euro über den Einnahmen. Dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-Spitzenverband) zufolge stieg das Defizit zum Jahresende 2022 auf rund 2,2 Milliarden Euro.

Mey Dudin


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