Berlin (epd). Angesichts des Arbeitskräftemangels will Deutschland mehr Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen. Dafür werden die Anforderungen flexibler gestaltet. Das Kabinett billigte am 29. März in Berlin eine Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Der Entwurf muss nun vom Bundestag beraten werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärten, in fast allen Branchen würden dringend Fachkräfte gesucht. Wer in Deutschland arbeiten wolle, müsse schneller und einfacher als bisher ins Land kommen können.
Ausländische Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern mit einem Abschluss und zweijähriger Berufserfahrung können künftig kommen, ohne dass sie vorher ihren Abschluss von Deutschland anerkennen lassen müssen. Die Anerkennung, die vom Herkunftsland aus betrieben werden muss, zählt bisher zu den größten Hürden bei der Fachkräftezuwanderung. In Deutschland anerkannte Fachkräfte sollen nicht nur in ihrem Beruf arbeiten, sondern jede qualifizierte Beschäftigung ausüben und die Branche auch wechseln können.
Der Entwurf aus dem Innen- und dem Arbeitsministerium ist Teil eines Gesetzespakets zur Migration, mit dem SPD, Grüne und FDP das Einwanderungs-, Aufenthalts- und Einbürgerungsrecht modernisieren wollen. Künftig soll es Interessierten auch möglich sein, zur Arbeitssuche nach Deutschland zu kommen. Zu den Kriterien zählen Berufserfahrung, Alter, Qualifikation und Deutsch- oder Englischsprachkenntnisse, für die Punkte vergeben werden. Mit einer „Chancenkarte“ können die Menschen dann für ein Jahr kommen und zum Lebensunterhalt Übergangs-Jobs von bis zu 20 Stunden pro Woche annehmen, bis sie eine Stelle gemäß ihrer Qualifikation gefunden haben.
Die Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan (SPD) betonte, dass sich Fachkräfte künftig außerdem schon im Heimatland durch Beratungs- und Sprachlernangebote besser auf ihr Leben in Deutschland vorbereiten könnten. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger begrüßte, die Ampel-Koalition schaffe ein „modernes Einwanderungsrecht“. Es bleibe aber offen, ob auch die bürokratischen Abläufe schneller, einfacher und digitaler würden. Die bisherigen Regelungen zur Arbeitskräftegewinnung aus dem Ausland gelten seit März 2020, als das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der damaligen großen Koalition in Kraft trat.
Von der Novelle und einer Verdopplung des Kontingents für Arbeitskräfte aus Osteuropa verspricht sich die Regierung die Zuwanderung von insgesamt 135.000 zusätzlichen Arbeitskräften pro Jahr. Deutschland hat derzeit fast zwei Millionen offene Stellen, so viele wie noch nie.
Das Kabinett billigte einen weiteren Gesetzentwurf zur Stärkung der Aus- und Weiterbildung, das helfen soll, inländische Fachkräfte zu halten. Darin sind Vereinfachungen der Weiterbildungsförderung vorgesehen. Neu ist ein Qualifizierungsgeld, das Beschäftigte analog zum Kurzarbeitergeld erhalten, wenn sie sich für einen anderen Job in ihrem Unternehmen qualifizieren, weil ihre alte Tätigkeit wegfällt. Der Arbeitgeber trägt dem Entwurf zufolge die Kosten der Weiterbildung.
Die verstärkten und vereinfachten Förderangebote zielen darauf, die Beschäftigten fit zu machen für die Umwälzungen und Probleme in der Wirtschaft durch Klimaschutz, Digitalisierung und Nachwuchsmangel. Jugendliche erhalten eine Ausbildungsgarantie in Form eines Platzes für eine überbetriebliche Ausbildung, wenn sie keine passende Lehrstelle finden. Auszubildende, die selbst ihren Weg machen, sollen dabei besser begleitet und finanziell unterstützt werden, wenn sie etwa für eine Lehrstelle umziehen müssen.