sozial-Recht

Oberlandesgericht

Klinik muss bei Frühgeborenen zeitige Netzhautkontrolle veranlassen



Oldenburg (epd). Bei frühgeborenen Kindern müssen die Augen wegen des erhöhten Risikos einer Netzhautablösung engmaschig kontrolliert werden. Rät ein Krankenhaus nach der Entlassung eines Frühgeborenen erst zu einer nach drei Monaten und damit viel zu späten Kontrolluntersuchung, muss die Klinik für eine auftretende Sehbehinderung haften, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg in einem am 20. März bekanntgegebenen Urteil.

Konkret ging es um ein bereits in der 25. Schwangerschaftswoche frühgeborenes Kind. Da bei Frühgeborenen ein erhöhtes Risiko für eine Netzhautablösung besteht, hatten die behandelnden Krankenhausärzte während der ersten drei Monate des Klinikaufenthaltes regelmäßig die Augen untersucht.

Das Kind ist auf einem Auge blind

Als das Kind dann entlassen wurde, hielten die Klinikärzte eine erneute Kontrolluntersuchung erst drei Monate später für erforderlich. Doch bereits fünf Wochen nach der Entlassung löste sich tatsächlich auf dem rechten Auge die Netzhaut ab. Das Kind ist dort nun blind, auf dem linken Auge weist es eine hochgradige Sehbehinderung auf.

Das sehbehinderte Kind zog, vertreten durch seine Eltern, vor Gericht und verlangte wegen der zu spät empfohlenen Kontrolluntersuchung Schmerzensgeld. Das Landgericht Oldenburg wies die Klage ab. Es gebe keinen nachweisbaren direkten Zusammenhang zwischen dem späten Kontrolltermin und der Netzhautablösung.

Doch das OLG sprach dem sehbehinderten Kind statt der geforderten 80.000 Euro nun sogar 130.000 Euro Schmerzensgeld zu sowie Schadensersatz für Schäden, die nicht durch die Sozialversicherungsträger übernommen werden. Die Höhe des Schmerzensgeldes sei auch angemessen, da das Kind ein Leben lang auf Hilfen angewiesen sei.

Die Empfehlung, erst drei Monate nach Klinikentlassung beim Augenarzt vorstellig zu werden, sei zu spät und fehlerhaft gewesen, urteilte das OLG. Wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt habe, hätte mit einer engmaschigen Kontrolle die Netzhautablösung entdeckt und erfolgreich behandelt werden können. Die Klinik hafte damit für den entstandenen Schaden.

Az.: 5 U 45/22