sozial-Branche

Studie

Beschäftigte in sozialen Berufen an Belastungsgrenze




Viele soziale Angebote für Kinder und Jugendliche sind in Gefahr, wenn Sozialarbeiter den Job verlassen.
epd-bild/Rolf Schulten
Der Personalmangel in einigen sozialen Berufen ist nach der Corona-Pandemie gewachsen, ebenso wie die Belastungen für die Beschäftigten. Die Gewerkschaft ver.di fordert von der Politik eine Kehrtwende.

Berlin (epd). Die Belastungen für Beschäftigte in sozialen Berufen sind laut einer Umfrage nach der Corona-Pandemie erheblich angestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine am 21. März in Berlin vorgestellte Analyse der Hochschule Fulda und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. So seien mehr als 60 Prozent der Befragten häufig oder sehr häufig an der Grenze der Belastbarkeit. Ein hohes Burn-out-Risiko gebe es insbesondere bei Beschäftigten in der Jugend- sowie in der Behindertenhilfe, aber auch in Kitas und den Jugendämtern, so die Autoren der Erhebung.

Für die Studie „Professionelle Krise nach Corona? Steuerungsbedarf in der Sozialen Arbeit nach der Pandemie“ wurden den Angaben zufolge im November vergangenen Jahres 8.210 Beschäftigte online befragt. Schätzungen zufolge gibt es bundesweit rund 1,5 Millionen Beschäftigte in der sozialen Arbeit.

Ver.di: Beschäftigte arbeiten oft am Limit

Die Bundesfachgruppenleiterin Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit bei ver.di, Elke Alsago, sagte, die Beschäftigten in vielen sozialen Berufen, vor allem im öffentlichen Dienst, seien am Limit. Als Grund wird unter anderem auf eine gestiegene Nachfrage nach Angeboten sozialer Arbeit nach der Pandemie verwiesen. Zudem seien die Problemlagen bei den einzelnen Klienten vielschichtiger geworden und der Hilfebedarf zudem gestiegen. Das verschärfe den bereits vor der Pandemie herrschenden Personalmangel in den Berufsfeldern.

Über alle Arbeitsfelder der sozialen Arbeit hinweg arbeiten laut Studie mehr als ein Drittel (38,9 Prozent) der Befragten regelmäßig drei oder mehr Stunden wöchentlich zusätzlich. Knapp zwei Drittel der Befragten stehen demnach bei ihrer Arbeit unter Zeitdruck. Mehr als die Hälfte (56,6 Prozent) schaffen die Arbeitsmenge häufig oder sehr häufig nicht.

Viele wollen Job nicht bis zur Rente machen

Im Ergebnis wollen laut Umfrage mehr als drei Viertel der Befragten (77,2 Prozent) nicht bis zur Rente in der sozialen Arbeit bleiben. In einzelnen Handlungsfeldern sei die Quote noch höher.

Alsago betonte, eine Schließung von Einrichtungen aufgrund hoher Krankheitswerte und erschöpfter Beschäftigter könne sich die Gesellschaft angesichts multipler Krisen nicht leisten. Sie verwies dabei auch auf die vielen prekären Beschäftigungsverhältnisse und befristeten Arbeitsverträge in der Branche, die die Beschäftigten belaste.

Es fehlt an Nachwuchs

Laut ver.di wurde bislang versäumt, entsprechend dem Bedarf Fachkräfte auszubilden. Bund, Länder und Kommunen müssten jetzt Geld unter anderem für die Verbesserung der Personalschlüssel bereitstellen. „Fachkräfte zu gewinnen und zu halten ist auch eine Frage der finanziellen Anerkennung“, sagte Alsago.

Heidi Reichinnek, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, erklärte, der Fachkräftemangel sei in allen sozialen Berufen Realität, was bei den harten Arbeitsbedingungen mit viel zu niedriger Bezahlung nicht verwunderlich sei. Corona habe die Situation noch weiter verschärft. „So darf es nicht weitergehen. Die Daten zeigen nämlich auch, dass ein Zusammenbruch von relevanten Teilen der Kinder- und Jugendhilfe droht“, so Reichinnek. Der Bund müsse sich mit Ländern, Kommunen, Gewerkschaften und Trägern zusammensetzen und mit ihnen gemeinsam Lösungswege zur Überwindung der akuten Krise finden: „Es braucht massive Anstrengungen, um soziale Berufe aufzuwerten, und das kostet Geld. Das, was wir heute investieren, wird die Folgekosten reduzieren.“

Lukas Philippi